■ Nachgefragt: Das Auto ist bequemer
Das sogar international bekanntgewordene Bremer Projekt „autofreies Wohnen im Hollerland“ droht zu scheitern. Bisher können nur vier Wohnungen mit der Verpflichtung zum Verzicht auf ein eigenes Auto verkauft werden. Der Soziologe Thomas-Krämer Badoni gehört zu den Initiatoren des Projekts und begleitet es wissenschaftlich..
taz: Warum ist es so schwer, Menschen zu finden, die sich auf den Auto-Verzicht vertraglich festlegen wollen?
Thomas Krämer-Badoni: Das liegt zum einen sicher daran, daß das Automobil nach wie vor das individualisierteste und bequemste Verkehrsmittel ist. Es steht immer zu Verfügung und es entspricht den Raumstrukturen, die wir durch die Automobilisierung geschaffen haben. Arbeiten und Wohnen sind immer weiter auseinandergerückt, so daß die daraus entstandene Raumstruktur durch den ÖPNV kaum noch zu bedienen ist.
Das Projekt Autofreies Wohnen im Hollerland ging aber gar nicht davon aus, neue Leute für den Verzicht aufs Auto zu gewinnen, sondern denjenigen, die diese Entscheidung schon getroffen haben – und davon gibt es relativ viele – zu ermöglichen, die Vorteile eines autofreien Gebietes auch wirklich zu nutzen.
Und jetzt zeigt sich, daß der Autoverzicht keine Entscheidung fürs Leben ist, sondern nur eine Entscheidung für eine konkrete Zeit, auf die man sich nicht auf Dauer vertraglich festlegen will?
Es kommen sicher verschiedene Gründe zusammen. Zum einen hat der Planungsprozeß zu lange gedauert. Es ging für deutsche Verhältnisse zwar sehr schnell, aber für diejenigen, die sich vor drei Jahren ursprünglich beteiligen wollten, war es trotzdem zu lang.
Der zweite Punkt ist, daß es die Gewoba zwar letztlich geschafft hat, einen angemessenen Kaufpreis anbieten zu können. Insgesamt ist aber die Wohnlage für ein solches Projekt zu teuer. Das hat einige bewogen, dann doch nicht 400.000 Mark hinblättern zu wollen.
Der dritte Punkt ist einer, mit dem ich nicht rechtzeitig gerechnet habe: In der Bundesrepublik ist das Verhältnis zum Wohneigentum sehr unflexibel. Wenn man in den USA umzieht, verkauft man ohne weiteres das alte Haus und kauft ein neues. Hier ist es eher so, daß man sich einmal im Leben für einen Hauskauf entscheidet. Und dadurch wird eine solche Entscheidung sehr schwer.
Ist es nicht auch ein Problem, daß das vorgeshene Gebiet im Hollerland relativ weit außerhalb liegt? Nur mit dem Fahrrad kommt man dort nicht aus.
Das ist ein Autofahrer-Argument. In Wirklichkeit ist das nur eine psychische Entfernung. Mit dem Fahrrad fährt man nur 25 Minuten bis zur Innenstadt. Das ist für jemanden, der täglich Fahrrad fährt, keine wirkliche Entfernung.
Stirbt mit dem Bremer Projekt jetzt die Idee des autofreien Wohnens?
Nein. Das Grundproblem ist: Solange es solch eine Erfahrung noch nicht gibt, kann man noch nicht wissen, wie sie funktioniert. Es kann sein, daß aus diesem Bremer Projekt nichts wird, aber es wird über kurz oder lang doch solche Erfahrungen geben.
Fragen: Dirk Asendorpf
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