Von Bock sieht sich rehabilitiert

■ Generalstaatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren ein / Ex-Staatsanwalt von Bock hatte anfangs Pflugradt als Tatverdächtigen im Auge

„Peinlich für einen Amtsrichter, der seit 30 Jahren im Dienst ist“, mit dieser Bemerkung quittierte der Innensenator Borttscheller gestern die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen seinen Staatsrat Hans-Georg von Bock und Polach. Amtsrichter Ernst von Schoenfeld hatte von Bock wegen „Strafvereitelung“ und „ggf.“ auch der Vorteilsnahme angezeigt, weil von Bock als Staatsanwalt die Ermittlungen im Falle der Vorwürfe gegen den CDU-Geschäftsführer Helmut Pflugradt nicht intensiv bearbeitet habe. Hinter dem Verdacht der „Vorteilsnahme“ steckt unausgesprochen die Idee, von Bock könnte den CDU-Politiker deshalb geschont haben, weil er sich davon Vorteile für eine Karriere als CDU-Staatsrat versprochen habe.

Für den letzteren Verdacht, so stellte die Staatsanwaltschaft fest, gibt es „keine Anhaltspunkte“, in der Strafanzeige sind auch keine genannt.

Für den Vorwurf der Strafvereitelung bezieht sich der Richter auf die Zeitungsveröffentlichungen – die Generalstaatsanwaltschaft rehabilitiert ihn aber in seiner Verfahrensweise, stellte von Bock selbst auf einer Pressekonferenz zufrieden fest. Er äußerte sich gestern erstmals ausführlich zu den Vorwürfen, die ihm seit Wochen gemacht wurden.

Er habe nicht die Ermittlungen vereitelt, erklärte von Bock. Sein Vorgesetzter, erklärte von Bock, habe Anfang Januar die Auffassung vertreten, ein „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für einen Anfangsverdacht gegen Pflugradt bestünden nicht, deshalb müsse das Ermittlungsverfahren eingestellt werden. Er, von Bock, habe das aber nicht getan, weil er sich selbst ein Bild von dem Anzeigenerstatter, dem „Opfer“ André W. machen wollte.

Die Zweifel der Staatsanwaltschaft begründen sich damit, daß André W. bei seiner Aussage vor der Kripo nicht geschildert hatte, daß er gewaltsam zu der sexuellen Handlung gezwungen worden sei. Im Gegenteil: André W. war freiwillig von Bonn aus mit dem CDU-Politiker in dessen Haus in Vegesack gefahren, hatte dort auch im Pool nackt gebadet, „in dieser Zeit ist nicht die geringste Gewalt angewendet worden“. Mehr noch: Bei der Kripo hatte André W. zu Protokoll gegeben: „Ich hatte wohl gehofft, daß ich von dem Mann ... Geld bekommen würde... Ich konnte sehen, daß der Mann wohlhabend war.“ Nur „an Verkehr“ habe er dabei nicht gedacht. Diese Aussage hält die Staatsanwaltschaft für wenig glaubwürdig.

Daß von Bock das „Opfer“ selbst vernehmen und kennenlernen wollte, um sich ein eigenes Bild von der Glaubwürdigkeit zu machen, sei bei dieser Sachlage sachgerecht gewesen.

Bei einem zweiten Punkte der Ermittlungs-Gestaltung sieht die Generalstaatsanwaltschaft allerdings Verfahrensfehler, die nur den Straftatbestand der „Strafvereitelung im Amt“ nicht erfüllen: Nach dem 25. Januar 1995 hatte von Bock nach eigener Aussage die Akte bekommen – nur weil die Kripo den Politiker im engeren Verdacht hatte, landete die Akte überhaupt zuständigkeitshalber bei von Bock. Von Bock lud als erstes Pflugradt in sein Dienstzimmer ein, um ihm mitzuteilen, daß er in dem Fall als möglicher Beschuldigter in der Akte erwähnt sei. Die Reaktion des CDU-Politikers, der damals Geschäftsführer des Landesverbandes und designierter Wahlkampfleiter war: Schweigen. Pflugradt dementierte nicht, empörte sich nicht über den Vorwurf, schwieg einfach. Was sein gutes Recht ist, erklärte von Bock, allerdings „vieldeutig“.

Von diesem Gespräch gibt es keinerlei Vermerk in den Akten, auch nicht, daß Pflugradt sich einen Anwalt nahm und Akteneinsicht beantragte. Dieses Versäumnis konnte von Bock gestern auch nicht erklären. Die besondere Behandlung des CDU-Politikers – es ist schon ungewöhnlich, daß Tatverdächtigen in einem informellen Gespräch mitgeteilt wird, daß eventuell gegen sie ermittelt wird – sei eben in der Besonderheit des Falles begründet, erklärte von Bock.

Nach diesem Gespräch stand für von Bock im Zentrum der Ermittlungen, ob es wirklich „sexuelle Nötigung“ gewesen war, was im Hause Pflugradt passiert war. Erst als der Anwalt Pflugradts ihn auf die Täterbeschreibung im Kripo-Vernehmungsprotokoll hingewiesen hatte, habe er, von Bock, den Eindruck gewonnen, daß Pflugradt doch nicht der Täter sei – und die Akte mit einem entsprechenden Vermerk versehen. Erst damit lag die Ermittlungsakte als eine „gegen unbekannt“ auf von Bock und Polachs Stapel.

Was dem damaligen Staatsanwalt in fünf Monaten Ermittlungen nicht gelang, gelang damals Journalisten: mit dem Opfer zu sprechen und das Haus Pflugradts als Tatort zu identifizieren.

K.W.