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„Stern“ hat ein Beweisproblem mit dem Sudan

■ War der „Stern“-Bericht, wonach die im September abgeschobenen Flüchtlinge aus Sudan in Wahrheit Wirtschaftsflüchtlinge gewesen seien, eine Fälschung?

Frankfurt/Berlin (taz) – Das Magazin Stern hat gestern in Sachen Sudan einen juristischen Rückzieher machen müssen. Die Hamburger Wochenzeitschrift zog vor der Dritten Zivilkammer am Landgericht Frankfurt/Main seinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den katholischen Priester Stefan Hippler zurück. Der für die Caritas im Sozialdienst des Frankfurter Flughafens arbeitende Hippler hatte Zweifel am Wahrheitsgehalt eines Artikels über aus Deutschland abgeschobene sudanesische Flüchtlinge in der Stern-Ausgabe vom 21. September geäußert.

Am 12. September waren sieben Flüchtlinge aus Sudan, die im Juli in Deutschland Asyl beantragt hatten, unter heftigem Protest der Öffentlichkeit vom Frankfurter Flughafen nach Sudan abgeschoben worden. Der Protest sank in sich zusammen, als der Stern am 21. September unter dem Titel „Du hast eine Dummheit begangen“ Äußerungen wiedergab, die Angehörige der Flüchtlinge gegenüber Stern-Reportern gemacht haben sollten. In diesen Aussagen war eine politische Verfolgung der Abgeschobenen bestritten worden, woraus die Hamburger Zeitschrift und weite Teile der Öffentlichkeit den Schluß zogen, es habe sich bei zumindest einigen der sieben Abgeschobenen um Wirtschaftsflüchtlinge gehandelt.

Der Priester Hippler hatte daraufhin eigene Recherchen angestellt. Zusammen mit seinem Reisebegleiter Harald Schuster besuchte er vom 25. September bis 6. Oktober den Sudan und versuchte, die in der Zeitschrift zitierten Angehörigen der Abgeschobenen zu sprechen. Nach ihrer Rückkehr legten die beiden dar, daß ihren Recherchen zufolge die Stern-Reporter in mehreren Fällen Personen verwechselt hätten und kritische Äußerungen über die Abgeschobenen Gesprächspartnern zugeschrieben hätten, die zum Zeitpunkt der Stern-Recherche nachweislich nicht am angegebenen Ort wohnten. Unter anderem könne das im Artikel wiedergegebene Gespräch des Stern-Reporters Michael Stührenburg mit der Mutter eines der Abgeschobenen, Mubarak, nicht stattgefunden haben: Die Familie des Abgeschobenen habe niemals am angegebenen Ort gewohnt. Der Stern wollte daraufhin diese Aussage per einstweilige Verfügung verbieten lassen.

Vor Gericht sah sich die Zeitschrift jetzt nicht in der Lage, die Darstellung Hipplers zu widerlegen, und zog den Antrag auf eine einstweilge Verfügung zurück. Es habe ein „Beweisproblem“ gegeben, sagte Stern-Justitiar Hagen der taz und erklärte, daß es sich bei dem Autoren Stührenberg lediglich um einen „freien Mitarbeiter“ handele. kpk/D.J.

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