Präsidentenwahl gilt

■ Oberstes Gericht in Polen schmettert Protest ab. Pfiffe nach dem Urteil

Im größten Saal des Obersten Gerichts in Polen hielten die Besucher den Atem an. Richter Jan Wasilewski verlas das Urteil, monoton listete er Artikel und Paragraphen auf, es wollte kein Ende nehmen, die Zuschauer reckten die Köpfe, der Richter sprach immer schneller. Endlich fiel der erlösende Satz: „Die Präsidentschaftswahl vom 19. November 1995 ist gültig.“ Das Urteil des Obersten Gerichts vom Samstag kann nicht angefochten werden.

Knapp 600.000 Polen hatten gegen die Wahl Kwaśniewskis protestiert. Sie warfen dem siegreichen Kandidaten der Linksallianz (SLD) vor, die Wähler mit der Angabe eines fehlenden Uniabschlusses getäuscht zu haben. Das Gericht bestätigte zwar diesen Vorwurf. Mit dieser Angabe habe Kwaśniewski gegen die Wahlordnung verstoßen, doch dieses Faktum habe sich nicht wahlentscheidend auswirken können. Die Richter stützten sich in ihrem Urteil auf Daten, die Soziologen der Warschauer Universität erhoben hatten. Danach war die Bildung der Kandidaten für 36 Prozent der Wähler „ausschlaggebend“, 28 Prozent maßen der „Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit“ des künftigen Präsidenten höchsten Rang zu.

Dennoch, so die Richter, seien dies nicht die alleinigen Kriterien für die Wahl gewesen. Nicht entscheidend für das Ergebnis seien auch einzelne Fälle von Wahlfälschung gewesen. Auch der Vorwurf, daß die Auslandspolen zwar in der ersten, nicht aber in der zweiten Wahlrunde abstimmen durften, wurde zurückgewiesen. Die Kläger pfiffen und lärmten gegen das Urteil an. Jerzy Gwizdz, der Wahlkampfleiter Walesas, meinte: „Ich erkenne das Urteil an, wenn ich es auch nicht teile.“ Gabriel Lesser