: Ein Prozeß wie eine Blaupause
■ Nach einem Beamten der Innenbehörde wurde jetzt ein Amtsbruder von der Ausländerbehörde wegen Bestechlichkeit zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt
Und die Geschichte wiederholt sich doch. Wegen Bestechlichkeit wurde vor zwei Wochen ein ehemaliger Beamter der Innenbehörde verurteilt, gestern war es ein ehemaliger Beamter der Ausländerbehörde. Die Richter und der Staatsanwalt sind dieselben, die Anklage ist dieselbe, das Strafmaß am Ende ebenfalls. Sogar der Angeklagte scheint derselbe zu sein: Mit Brille und Schnauzbart unter dunklen Haaren hockt da die fleischgewordene Reue. Abgekartetes Spiel? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Es ist aber doch ein anderer Mann. Edgar St., 42 Jahre alt, durch Hausbau verschuldeter Familienvater von vier Kindern, hat sich in 27 Fällen von Geld beeinflussen lassen, Aufenthaltsgenehmigungen auszustellen. Der Geldgeber, der inzwischen ebenfalls verurteilte chinesische Restaurantbesitzer Airong X., regelte auf diese Weise zwischen 1990 und 1992 Einreise und Aufenthalt von Angehörigen und Arbeitskräften.
Edgar St., in der Ausländerbehörde zuständig für den Buchstaben X, hatte den Chinesen dort Mitte der 80er Jahre kennengelernt. „Es entstand ein nettes Verhältnis“, erzählt der Angeklagte. Eines Tages aber fand der Beamte einen Briefumschlag mit 50 Mark in seiner Schublade. Um den „freundlichen Herrn“ vor Problemen zu bewahren, habe er seinem Vorgesetzten nichts gesagt. Dem Chinesen selbst habe er bedeutet, er solle das Geld zurücknehmen. „Ist doch nicht schlimm. So viele Kinder!“ habe ihm X. entgegnet. „Also habe ich den großen Fehler begangen, es zu behalten“, gesteht Edgar St.
Den 50 Mark folgten mal 300, mal 500 Mark. „Das war aber nicht fallbezogen“, beteuert der Angeklagte. „Ich habe nie etwas gefordert.“ Dennoch, so gibt er zu, hätten die Geschenke seine positiven Entscheidungen zugunsten der 27 ChinesInnen sehr wohl beeinflußt. Als ihm „die Sache immer unheimlicher wurde“, bewarb er sich erfolgreich bei einer Meldestelle und verließ die Ausländerbehörde.
Anfang dieses Jahres aber muß irgend jemand X. als Oberhaupt der chinesischen Mafia denunziert haben. X. wurde verhaftet und mit ihm Martin W., Beamter der Innenbehörde, der mit mindestens 19.000 Mark ein ganzes Stück mehr Geld von X. entgegengenommen hatte als Edgar St. Der inzwischen suspendierte St. von der Ausländerbehörde stehe doch auch auf der Gehaltsliste von X., hub Martin W. damals an zu singen. Also fand dieser sich ebenfalls für eine Nacht im Knast wieder: „Das war ein schockierendes Erlebnis. Als Christ dachte ich mir aber, ich muß mich bekennen.“ Am nächsten Tag gestand Edgar St. alles.
Unter anderem diesem Geständnis hat er nun das milde Urteil zu verdanken. Zwei Jahre auf Bewährung fordert der Staatsanwalt, zwei Jahre oder ein bißchen darunter fordert der Verteidiger, zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt ihn das Gericht. Ute Scheub
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