: Natrium ließ Brüterrohre schmelzen
■ Der Unfall im japanischen Monju-AKW war dramatischer, als anfangs zugegeben - trotzdem wurden die 70.000 Anwohner nicht alarmiert, die Anlage soll wieder anlaufen, sobald das Loch gefunden ist
Die drei Tonnen ausgelaufenes Natrium heizten Teile des schnellen Brüters Monju in Japan auf über tausend Grad auf. Weil Natrium heftig mit Wasser reagiert, stimmte in der feuchten Innenluft des Reaktors die Chemie nicht mehr: Nach Angaben der Zeitung Mainchichi Shimbun schmolzen sogar Metallteile. Es dauerte wegen der heißen und giftigen Atmosphäre einen vollen Tag, bis das Personal die Hallen wieder betreten konnte.
Der Zeitung Yomiuri Shimbun zufolge mißachteten die Betreiber die Betriebsanweisung: Anstatt den Reaktor sofort automatisch herunterzufahren, schalteten sie ihn erst nach 90 Minuten per Hand aus. Weil angeblich aus dem radioaktiv verseuchten ersten Kühlkreislauf (siehe Kasten rechts) kein Natrium austrat, sondern nur aus dem nachgeschalteten zweiten, verzichteten die Behörden auf eine Alarmierung der 73.000 Einwohner des nahen Tsugura. In der Stadt sind 23.000 Haushalte an ein Warnsystem angeschlossen, das bei einem Reaktorunglück eigentlich Alarm geben soll.
Genauere Erkenntnise werden laut der Nachrichtenagentur dpa erst am Donnerstag erwartet. So lange dauert es, bis das gesamte Natrium abgelassen ist. Die Reparatur werde aber wohl mehrere Monate dauern. Drei Tonnen Natrium waren aus dem sekundären Kühlkreislauf ausgetreten, ohne daß die Betreiber es sofort merkten. Die Angaben über die Ursache gehen auseinander: Zum einen heißt es, das aggressive, heiße Natrium habe ein Rohr durchgeätzt. Zum anderen soll das System nach einer Reparatur von 1991 — also vor der Inbetriebnahme des Reaktors — an einer Stelle „uneben“ gewesen sein.
Solche Unfälle sind in schnellen Brütern nicht selten. Vor einigen Jahren waren in französischen Pendant „Phénix“ mehrere Tonnen Natrium durch einen Haarriß verschwunden. Es dauerte zwei Wochen, bis der Riß und das fehlende Metall gefunden wurden. Nach Angaben der französischen Feuerwehr von damals ist es selbst mit modernster Technik nicht möglich, Brände von über 1.300 Kilogramm Natrium zu löschen. In einem Brüter kreisen aber insgesamt einige hundert bis über tausend Tonnen des Metalls.
Die Katastrophe tritt dann ein, wenn das Natrium größere Mengen Wasser erreicht und nicht nur Wasserdampf. Dann kann eine explosionsartige chemische Reaktion ablaufen, die das Reaktorgebäude beschädigt und die Kühllung des heißen Kerns unterbricht. Große Mengen Plutoniums würden freigesetzt.
Nach Ansicht des Professors für Kraftwerkstechnik an der Uni Osaka, Keiji Miyazaki, war das Leck „kein schwerer Unfall“. Für einen solchen Fall seien angemessene Sicherheitsvorkehrungen vorhanden. Es sei unmöglich, geringfügige Störungen zu vermeiden. Nach Meinung des Bürgerzentrums für Nuklearinformationen hingegen sollte der Unfall „eine letzte Warnung“ sein. Das Leck sei zum Glück nur bei einer Auslastung von 40 Prozent aufgetreten. Reiner Metzger
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen