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Der Senat sammelt die Maurerkellen ein

■ Bauliche Selbsthilfe steht vor dem Aus. Das alte Programm läuft im Dezember aus, eine neues ist noch nicht in Sicht

Das 250. Selbsthilfeprojekt in der Frankfurter Allee, für das letzte Woche der Vertrag unterzeichnet wurde, war womöglich das letzte in der Stadt. Wie der für Selbsthilfe zuständige Mitarbeiter in der Senatsbauverwaltung, Stahns, am Dienstag abend mitteilte, drohe der Selbsthilfe in Berlin das Aus. Der Grund: Die alten Richtlinien für das 1982 ins Leben gerufene Programm laufen zum 31.12. dieses Jahres aus.

Neue Richtlinien gibt es aber noch nicht. Zwar hat die Bauverwaltung einen Entwurf ausgearbeitet. Doch Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) weigert sich, diesen Entwurf zu unterzeichnen. Damit wird es ab Januar keine Förderverträge mehr geben. Das Selbsthilfeprogramm ist in Berlin das einzige Sanierungsprogramm mit öffentlichen Geldern, das den Mietern die selbstbestimmte Erneuerung ihrer Wohnungen und Häuser garantiert.

Wie der Arbeitskreis Berliner Selbsthilfegruppen (AKS) auf einem „Bauausschuß von unten“ am Dienstag mitteilte, gehe der Finanzverwaltung der vom Bausenator vorgelegte Entwurf, trotz beträchtlicher finanzieller Beschneidungen, offenbar noch nicht weit genug. Der AKS hatte den Entwurf in der Vergangenheit immer wieder kritisiert und darauf hingewiesen, daß die vorgesehene Finanzierung über Bankenkredite und einen jährlichen Zuwendungsabbau von drei Prozent die bauliche Selbsthilfe für Interessierte ohne Eigenkapital künftig unmöglich mache.

Obwohl Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) in der Vergangenheit immer wieder versprochen hatte, keine Selbsthilfegruppe werde leer ausgehen, ist nach Angaben seines Selbsthilfebeauftragten Stahns vor einer neuen Senatsbildung nicht mehr mit einer Unterzeichnung neuer Richtlinien zu rechnen. Doch auch mit einem neuen Senat wäre der Weg für neue Selbsthilfeprojekte noch nicht frei. Vor der Wiederaufnahme der Förderung müsse, so die Bauverwaltung, der von Pieroth gesperrte Haushalt wieder entsperrt und sämtliche Förderprogramme auf ihre Finanzierung überprüft werden. „Von der Verwaltung ist in dieser Hinsicht wenig Hilfe zu erwarten“, bedauerte Stahns.

Die Teilnehmer des „Bauausschusses von unten“, darunter auch die Sanierungsträger List und SPI sowie die Genossenschaft Selbstbau, forderten deshalb, politischen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. „Am besten wäre es, wenn interessierte Hausgemeinschaften den Senat so lange nerven, bis es ein neues Förderprogramm gibt“, meinte ein Teilnehmer. In Zeiten knapper Kassen könnten auch kreative Vorschläge wieder Konjunktur bekommen, schlug Fabian Tacke von der Selbstbau-Genossenschaft vor. Er plädierte dafür, die von ehemaligen Selbsthilfegruppen erwirtschafteten Überschüsse in einem Fonds zu sammeln und damit neue Projekte zu fördern. Uwe Rada

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