: Frau Hitler
■ Ulrich Hubs „Fräulein Braun“ als bitter-amüsante Uraufführung im TiK
Eva Braun war ein junges Mädchen wie viele andere auch. Sie war ein wenig zu naiv, ein wenig zu rundlich in den Hüften, und sie träumte davon, Filmstar zu werden. Dann aber wurde sie vor allem das, was vielen Frauen im „Dritten Reich“ ein Herzenswunsch gewesen wäre: Sie wurde die Geliebte Adolf Hitlers. Der „Führer“ hatte ein Auge auf sie geworfen, war zwar 23 Jahre älter als sie, doch: „Er hat einen festen Händedruck. Er hat eine Partei gegründet. Er kennt Filmstars. Er hat Wähler.“ Und er konnte ihr den sehnlichsten Wunsch erfüllen: eine Handtasche, farblich passend zu ihren Schuhen.
Ulrich Hub, Autor und sein eigener Regisseur, sah in diesem deutschen Mädel eine ideale Projektionsfläche. Sein Fräulein Braun zeigt in einem dramaturgisch geschickt gebauten Monolog den Sturz eines unbedarften, schutzbedürftigen Mädchens in die Abgründe der Geschichte. Selig über die Gunst eines so wichtigen Mannes, neben dem sie scheinbar an Größe gewinnt, läßt sie sich von gesellschaftlichen Ereignissen blenden, zu denen sie Pfänderspiele und Tombolas arrangiert, während im Nebenzimmer über die „Endlösung“ diskutiert wird.
Als Autor stellt Hub unbarmherzig einen Menschen bloß, der sich nicht für die Dinge interessiert, die um ihn herum geschehen, und dadurch schuldlos schuldig zum Mittäter wird. Als Regisseur wiederum drängt der Autor seine Hauptdarstellerin in die Rolle des kindlichen Opfers eines perversen „Sexual“Verbrechers. Erst ihre klemmende Naivität, ihr blasiertes Wetteifern um die Gunst des „Führers“ macht sie zum Hoppel-Moppel, das fröhlich ins Unglück hineinstolpert und Deutschland eifersüchtig nur noch als Nebenbuhlerin wahrnimmt.
Cornelia Schirmer ist in jeder Situation dieser allmählichen Wandlung überzeugend. Ihr Fräulein Braun macht im Bühnenbild von Monika Morsbach das Bett zur einzigen Zuflucht und bemerkt zu spät, daß die Wände des Bunkers die bayrische Idylle längst umstellt haben. Sicher spürt sie irgendwann, daß dieser Krieg ihr die heitere Vergnüglichkeit zu rauben droht. Mit plappernden Kinderreimen versucht sie, sich zu beruhigen: Wenn sie den Sieg erst in Händen halten, machen sie sich einen gemütlichen Abend.
Diese bitter-amüsante Skizze im TiK demonstriert nicht nur, daß sich niemand seiner gesellschaftlichen Verantwortung entziehen kann. Er ist auch eine Groteske über den Zustand der Liebe, die bekanntlich blind macht: Wenn Eva als Gattin des Geliebten gemeinsam mit ihm in den Freitod gehen darf, hat sich ihr Leben schon erfüllt. „Ich bin am Ziel“, sagt sie. „Sie können mich nun Frau Hitler nennen.“ Wolf Eismann
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