: Polizeibesuch in der Marchstraße
Nach zweieinhalb Jahren hat die Polizei gestern den besetzten Häusern Marchstraße 23 und Einsteinufer 41 in Charlottenburg wieder einen Besuch abgestattet. Wie Gentlemen haben sich die über 500 Ordnungshüter dabei nicht gerade benommen. Sie kamen unangemeldet, morgens um sechs, und überprüften die Personalien aller 45 angetroffenen Bewohner. Sechzehn von ihnen führten sie ab. Außerdem wühlten die Polzeibeamten in Schreibtischen, Schränken, durchforsteten Computer, machten Foto- und Videoaufnahmen. Dreieinhalb Stunden währte die Aktion. Die Häuser sind seit 1989 besetzt.
Vollstrecknug von Haftbefehlen – das war das Entree für die Grünröcke. Acht Personen suchten sie, fünf fanden sie. Vorwürfe: Körperverletzunng, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Elf Bewohner mußten sich erkennungsdienstlich behandeln lassen, weil es gerichtlich so angeordnet gewesen sei, so die Polizei. Neun von ihnen sind Ausländer, die wegen Verdachts des illegalen Aufenthalts der Ausländerbehörde übergeben worden sind. Ihnen droht die Abschiebung.
Den Bewohnern blüht ein Verfahren wegen „des Verdachts von Umweltdelikten“. Die Beamten haben auf dem Gelände sechs Autowracks sowie einige herumliegende Batterien und Motoren entdeckt. Nach Angaben der Bewohner waren an dem Polizeieinsatz auch Mitglieder des Sondereinsatzkommandos (SEK) beteiligt, die „schwer bewaffnet“ über Leitern in die Häuser gedrungen seien. Sie, die Bewohner, seien „an den Haaren aus dem Bett gezerrt, zu Boden geworfen und in dieser Position länger festgehalten worden“.
Ende Oktober hatte das Landgericht ein Räumungsurteil gefällt, wonach die Bewohner die Häuser bis Ende Januar zu verlassen hätten. Das Problem: Das Urteil kann nur gegen fünf angemeldete Bewohner vollstreckt werden. Die übrigen haben hier keinen festen Wonhsitz. Bewohner-Anwalt Frank Müller vermutet, daß sich Senat und Eigentümer auf eine einfache Taktik geeinigt haben: So habe die gestrige Polizeiaktion dazu gedient, „eine gewaltsame Räumung im Februar oder März vorzubereiten“.Christoph Oellers
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