: Indonesiens Arm in Niedersachsen
■ Bürgerrechtler fordern Demokratie vor Minister Habibies Haus in Kakerbek
Die BewohnerInnen des Dorfes Kakerbeck staunten am Samstag nicht schlecht. Mehrere IndonesierInnen und Deutsche entrollten Transparente vor dem Haus ihres Mitbürgers B. J. Habibie. Der indonesische Staatsbürger ist in dem südostasiatischen Land Minister für Forschung und Technologie.
Die DemonstrantInnen forderten in dem 100-Seelen-Dorf zwischen dem niedersächischen Ahlerstedt und Stade mehr Demokratie in Indonesien, freie Meinungsäußerung und die Freilassung des politischen Gefangenen Sri Bintang Pamungkas. Der Hochschullehrer steht in Suhartos Militärdiktatur wegen „beleidigender Äußerungen“ vor Gericht. Nach Meinung der Ankläger, hat Pamungkas während einer Vortragsreise im Frühjahr in Deutschland Suharto beleidigt. Insbesondere wird ihm vorgeworfen, an einer Demonstration in Dresden teilgenommen zu haben, die gegen den Staatsbesuch des indonesischen Präsidenten in Deutschland gerichtet war.
„Doch Sri Bintang Pamungkas war nie in Dresden und so wurde er ersatzweise im Zusammenhang mit einem seiner Vorträge an der TU Berlin engeklagt“, sagt eine Mitarbeiterin von „Watch Indonesia“. Die „Arbeitsgruppe für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz“ hatte Pamungkas damals zu der Reise eingeladen. Der indonesische Minister Habibie hat nach Recherchen von „Indonesia Watch“ öffentlich behauptet, daß „die Demonstranten von Amnesty International mit 50 Mark pro Person bezahlt wurden und zusätzlich Freibier erhalten hätten“. Diese Praxis kennt Habibie aus Indonesien. Während der Gerichtstermine von Pamungkas brüllten Demonstranten „Verurteilt Bintagn! Hängt Bintang auf!“ und beschimpften ihn als „Volksverräter“.
Forschungsminister Habibie kennt Deutschland sehr gut. Er studierte in Aachen Flugzeugbau und arbeitete später beim Flugzeug- und Rüstungskonzern Messerschmid-Bölkow-Blohm in Hamburg. Von dort ging Habibie als Minister nach Jakarta. Für Aufsehen sorgte er vor zwei Jahren, als er 39 Kriegsschiffe der ehemaligen NVA kaufte. Laut Indonesia Watch wurden in Indonesien drei Zeitungen verboten, die über den Fall berichtet hatten. Habibie ist erneut im Gespräch mit Niedersachsens Ministerpräsident Schröder und dessen Wirtschaftsminister Fischer als potentieller Anteilseigner der Flugzeugwerft ASL in Lemwerder.
Im Dorf Kakerbek gibt sich Habibie bescheiden. „Das war ein ganz normales Haus aus den siebziger Jahren“, sagt eine Demonstrantin von Kakerbeck. Kein hoher Zaun, keine Hunde würden das Anwesen schützen, kein „pompöser Reichtum“ sei von außen sichtbar. Die DorfbewohnerInnen hätten in Gesprächen „ein ungutes Gefühl“ über ihren prominenten Mitbürger geäußert. Jedes Jahr im Sommer verbringe Habibie sechs Wochen in dem Haus. Bei Gesprächen von Nachbar zu Nachbar habe er immer wieder beteuert, wie gut es den Menschen In Indonesien gehe. ufo
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