■ Scheibengericht: Cher
„It's A Man's World“ (WEA)
Alle Welt befaßt sich ausschließlich mit Madonna und ihren wechselnden Images. Dabei war es doch eigentlich Cher, die die weibliche Personalunion von Verführung, öffentlicher Verwandlung und – geschäftlicher wie privater – Kontrolle im Pop etabliert hat, oder? Wenn Cher etwas an ihr selbst nicht gefällt, läßt sie es ändern, vor allem Nase, Brust, Hüften etc. Cher ist gewissermaßen der weibliche Michael Jackson, vom stabileren Kreislauf einmal abgesehen. Derzeit erscheint sie dem Publikum als Eva mit Paradiesapfel und glattem Haar, ihr Halsgeschmeide besteht aus einer smaragdgrünen Python. Oder ist sie doch eher Lilith, Salome, Cleopatra? Menschen, die wie Cher, Madonna und Jacko ständig an sich herumzupfen, brauchen natürlich andere Konstanten als den Körper, sagen wir: Musik. Der Titelsong zur neuen Cher, „It's A Man's World“, entstammt bekanntlich der Feder von James Brown und ersäuft hier in Streichern. Don Henley von den Eagles hat ein Stück beigesteuert und auch Benmont Tench, der eigentlich zu Tom Petty's Herzensbrechern gehört. Chers neues Album klingt fast, aber nur fast wie das Album zuvor, welches wiederum fast wie das Album zuvor geklungen hatte: Alles miteinander teurer Mainstream-Pop, der niemandem weh tut. Das ist in Ordnung so. Manchmal genügt es, einfach eine – aus welchen Gründen auch immer – bemerkenswerte Frau zu sein, was einem wiederum das Recht gibt, sich ungeniert an der Pop-Klassik zu vergreifen. „The Sun Ain't Gonna Shine Anymore“, klagt Cher. Das ist mal Dialektik.
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