: Betrachter in Zugzwang
■ betr.: „Die zwei Enden der Kunst“, taz vom 9./10. 12. 95
„Warum Hitler und Duchamp“? Hätte Brigitte Werneburg diese Frage nicht nur gestellt, sondern auch den Versuch unternommen, sie zu beantworten, wäre diese halbe taz-Seite vielleicht sinnvoller gefüllt gewesen. Es ist zumindest beschämend, fast schon beängstigend, mit welcher Vorsicht und Distanz die Autorin mit dem Thema umgeht. Warum diese schonende Zurückhaltung?
Auf der anderen Seite ist zunehmend beängstigend, mit welchen Mitteln Künstler aufmerksam machen wollen. Wahrscheinlich weiß selbst Rudolf Herz nicht, „warum Hitler und Duchamp“. Daß beide irgendwann einmal von demselben Photographen abgelichtet worden sind, kann's nicht sein. Und auch wenn Duchamps Aktion „Fountain“ als Ende der Kunst interpretiert wurde, so hat Hitlers Aktion „Endlösung“ mit Kunst nichts, aber auch gar nichts zu tun. Allein schon der Versuch, Hitler auf irgendeine Art mit Kunst in Verbindung zu bringen, ist unglaublich und ungehörig. Ihn gar auf eine Ebene mit Künstlern zu heben heißt seinem Leben und Wirken etwas Künstlerisches einzuhauchen, wo es außer infernalischem Zerstörungswillen nichts gab. So ist diese Ausstellung ein unglaublicher Vorgang, und spätestens hier beginnt heute der Mythos Hitler. Zu Lebzeiten war Hitler vielleicht ein Mythos, doch schon damals wie heute war und ist er geschichtliche Realität, der man sich durch Mystifizierung nicht entziehen kann und auch nicht durch solch eine Ausstellung. Ihn in eine Kunst-Welt zu heben, setzt die Betrachter unter „Zugzwang“, Hitlers Zerstörungen als künstlerischen Akt zu begreifen. Ich hoffe nicht, daß Rudolf Herz uns das sagen will. Rainer Winkler, Eva Kiss,
München
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