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Polizeieinsatz im „Schlagloch“

■ Dresdener Infoladen wegen Zeitung „radikal“ durchsucht

Dresden (taz) – Wenigstens wissen sie jetzt, wie der Spitzel aussieht. Als die DemonstrantInnen auf dem Pflaster hockten und das Transparent „Radikal ins nächste Jahrtausend!“ ausrollten, packte er zu, der junge Mann mit dem schwarzen Pferdeschwanz und dem Palästinensertuch, der in der Szene schon öfter gesehen wurde. Seine uniformierten Kollegen hielten unterdessen das Dutzend Jugendliche in Schach.

Am Donnerstag nachmittag hatten Beamte des Landeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft den Infoladen „Schlagloch“ in der Dresdner Äußeren Neustadt durchsucht. Am Abend darauf versammelten sich BetreiberInnen und SympathisantInnen dieses linken Szenecafés zu einer „Antirepressionsdemo“ auf dem Altmarkt. Der Oberbürgermeister reagierte mit einer Verbotsverfügung. Er berief sich auf eine Vorschrift aus dem Jahr 1953, wonach Demonstrationen in der Innenstadt während des Weihnachtsmarktes untersagt sind.

Währenddessen ermitteln die Karlsruher Bundesanwälte gegen den Infoladen wegen des Verdachts der Unterstützung für eine terroristische Vereinigung. Die von der Karlsruher Behörde indizierte November-Nummer der Untergrundzeitschrift radikal soll durch das „Schlagloch“ in zwei Exemplaren „verbreitet“ worden sein. „Zureichende Gründe“ bestünden für die Annahme, daß ein „Leseexemplar“ an „unbekannte Entleiher“ vergeben wurde.

Der Infoladen „Schlagloch“ wurde vor fünf Jahren von linken und basisdemokratischen Gruppen der Stadt eingerichtet. Inzwischen wird er von der Stadtmission als Beratungszentrum für Jugendliche sowie für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte DresdnerInnen geführt.

Die Beamten beschlagnahmten bei ihrer fünfstündigen Razzia Hefter mit Abo-Jahrgängen der Zeitschrift radikal, Disketten, Geschäftsführungs- und Buchhaltungsunterlagen und die Festplatten-Kopien. Zwei Angestellte der Stadtmission wurden zur Vernehmung ins Polizeirevier gebracht und inzwischen wieder freigelassen. Von allen anwesenden Personen wurden die Personalien festgestellt. Detlef Krell

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