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Rinder sollen draußen bleiben

■ Der Bundesrat will gegen Seehofer ein Importverbot von Rindfleisch aus Großbritannien durchsetzen

Berlin (taz) – Der Schutz vor Rinderwahnsinn geht dem Bundesrat über alles. Jetzt fordert er ein generelles Importverbot für britisches Rindfleisch. Damit haben sich die Ministerpräsidenten gegen Horst Seehofer gestellt. Der CSU-Gesundheitsminister wollte die Verordnung verlängern, wonach Fleisch von Bauernhöfen importiert werden darf, die mindestens sechs Jahre BSE-frei sind. Andernfalls muß das sichtbare Nerven- und Lymphgewebe entfernt werden. Rinder, die nach dem 1. Januar 1992 geboren sind, dürfen bisher ohne Auflagen aus Großbritannien exportiert werden.

Die Länder halten diese Regelung für nicht ausreichend, da inzwischen auch jüngere Tiere an BSE – der „bovinen spongiformen Enzephalopathie“ – erkrankt sind. Der Verbraucherschutz müsse Vorrang sowohl vor wirtschaftlichen Interessen als auch vor dem Europarecht haben, hieß es. Seehofer sagte dagegen, der Bundesrat rufe zum Rechtsbruch auf. Der Streit geht nun wohl vor Gericht.

In Großbritannien beherrscht der Rinderwahn ebenfalls die Schlagzeilen, seitdem der frühere Berater der Regierung in tierärztlichen Fragen, Professor Bernard Tomlinson, in einem Fernsehinterview erklärt hat, daß er sich nicht mehr sicher sei, ob BSE nicht doch auf Menschen übertragen werden könne. Die Zahl der Menschen, die an dem BSE-ähnlichen Creutzfeld-Jakob-Syndrom (CJS) sterben, hat sich in Großbritannien in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Neu ist, daß zunehmend junge Leute an dieser unheilbaren Hirnkrankheit sterben. Darüber hinaus waren in letzter Zeit vier Bauern unter den Opfern. Immer mehr WissenschaftlerInnen raten der „Roastbeef-Nation“, auf ihre Leibspeise zu verzichten.

Gleichzeitig behindert man jedoch die Arbeit eines Wissenschaftlers, der einen Schnelltest entwickelt hat. Harash Narang, ein Mikrobiologe aus Newcastle, kann anhand einer Urinuntersuchung innerhalb einer Stunde feststellen, ob das Tier oder der Mensch infiziert ist. Wegen seiner allzu erfolgreichen Forschungen ist er aus dem Staatsdienst entlassen worden. Hat er nämlich recht mit seiner Behauptung, daß ein Viertel aller britischen Rinder infiziert ist, müßte die Regierung Milliardensummen an Schadensersatz berappen.

Die BritInnen sind nichtsdestotrotz höchst alarmiert. Hunderte von Schulen haben Rindfleisch von ihrem Speiseplan verbannt. Zum letztenmal war das Mitte der achtziger Jahre vorübergehend geschehen, als die Krankheit erstmals auftrat. Der Rindfleischverbrauch ist in den vergangenen zwei Wochen um 15 Prozent zurückgegangen, der Preis um 10 Prozent gefallen.

Die britische Regierung versucht zu retten, was kaum noch zu retten ist. Der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Douglas Hogg, ließ sich demonstrativ auf dem Londoner Fleischmarkt mit einem Rinderbraten fotografieren, Premierminister John Major sagte, es gebe für eine Übertragbarkeit auf Menschen „derzeit keine Beweise“. Ralf Sotscheck

Tagesthema Seite 3

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