Vom Paten aus Brüssel kommt bislang nur Segen

■ Noch wissen Griechenlands Europapolitiker die kleinen Leute hinter sich

An Katastrophenmeldungen ist Michalis Chandris gewöhnt. Immer, wenn der Athener Rentner in letzter Zeit eine Zeitung in die Hand nimmt, liest er von Gefängnisrevolten, Massenprozessen gegen Demonstranten, Morden oder Banküberfällen. In keinem anderen Land der EU, das hat sich inzwischen herumgesprochen, wird die rauhe Wirklichkeit so brutal wiedergegeben wie in den Massenmedien der Hellenen.

Nach dem 20. November allerdings haben die Medien ihre Lust am Tod noch erweitert. Seit Andreas Papandreou auf der Intensivstation des Athener Krankenhauses Onassion liegt, berichten sie unablässig über den Zustand des griechischen Ministerpräsidenten. „Ganz Griechenland ist zum Onassion verwandelt“, orakelte Anfang Dezember die linksliberale Eleftherotypia. „Mit Papandreou siecht auch das Land dahin.“ Kassandrarufe, die nicht alle teilen. „6.000 Baustellen bringen dem Land ungeahnten Aufschwung“, konnte Chandris Tage später in To Vima lesen. Auf der Liste waren auch die U-Bahnen von Athen und Saloniki sowie der neue Flughafen der Hauptstadt – Bauvorhaben, die Milliarden von Mark kosten. Und, was noch wichtiger ist, deren Realisierung garantiert ist, denn Pate steht die Europäische Union.

Die Geldzuwendungen für das ärmste Land der Union haben seit 1981 ständig zugenommen. Allein für die Jahre 1994 bis 1999 wurden Griechenland umgerechnet 47 Milliarden Mark aus dem EU-Kohäsionsfond zugewiesen. Den Ruf des Wohltäters hat also die Union nicht von ungefähr erworben, und so ist es auch zu erklären, warum die Griechen mit zu den stärksten Befürwortern des Ausbaus der gemeinsamen Institutionen gehören. Lange Jahre nach dem Beitritt seines Landes in die Europäische Gemeinschaft wollte Michalis Chandris die neue Wirklichkeit partout nicht wahrhaben. Obwohl er auch für sich persönlich einige Vorteile (Lohnerhöhungen dank der EG- Zuschüsse) verbuchen konnte, blieb er, dem Programm seiner linkssozialistischen Pasok-Partei gemäß, fest bei seiner Position, daß die EG hauptsächlich den westlichen Wirtschaftskolossen nütze. Noch in den Wahlkundgebungen von 1985 skandierte er mit seinen Genossen die EG-feindliche Parole: „EG, Nato, ein und dasselbe Syndikat.“

Mochten es damals die Spatzen noch so laut von den Dächern gepfiffen haben – für Michalis Chandris war es unvorstellbar, daß sein Idol Andreas Papandreou bereits am ersten Tag nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten 1981 das Lager gewechselt und sich vom glühenden Gegner zum pragmatischen Befürworter des vereinten Europas verwandelt haben könnte. „Andreas“, davon war er felsenfest überzeugt, wende wieder einen seiner Tricks an, um Subventionen an Land zu ziehen.

Daß er dabei selbst ausgetrickst wurde, schadete Chandris nicht unbedingt; als Elektrotechniker auf dem Flughafen zählte er nicht zu den Schlechtbezahltesten. Das Problem, erklärt Chandris, begann 1990, zunächst mit der Rückkehr der Konservativen an die Regierung und dann, 1992, mit Maastricht und den Stabilistätskriterien. Seither ging es bergab. Die Sozialisten bestehen heute noch eiserner auf die Erfüllung der Kriterien als die Konservativen – und seitdem müssen auch die Rentner dran glauben. Takis Galis, Athen