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„Haider ist nur vorläufig gestoppt worden“

■ Der österreichische Historiker Ernst Hanisch zur künftigen Rolle Haiders

taz: Ist die Zweite Republik noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen?

Ernst Hanisch:Ich denke schon. Das Wichtigste dabei ist sicher, daß Jörg Haider vorläufig gestoppt werden konnte. Vorläufig deshalb, weil die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ sich sehr schwierig gestalten werden. Ich fürchte, daß sich eine große Koalition wie in den 50er und 60er Jahren durch interne Konflikte eher dahinschleppen wird. Deshalb ist nach wie vor offen, ob bei der nächsten Wahl nicht doch ein Jörg Haider gewinnen wird, seine Drohung von einer „Dritten Republik“ ist noch nicht vom Tisch.

Wird Haider nicht überschätzt?

Ich halte eine Beteiligung von Haider an jeder Regierung für eine echte Gefahr. Jörg Haider ist der einzige charismatische Politiker in Österreich, der jeden anderen über den Tisch ziehen würde, wenn er erst einmal an der Regierung ist. Deshalb halte ich eine Regierungsbeteiligung der „Freiheitlichen“ in jeder Form für verheerend.

Warum haben sich dennoch eine Million Österreicher für Haider entschieden?

Ich fürchte, wir leiden an einer Vergeßlichkeit, an einem Verlust von Geschichte – nur kommt Vergangenheit nie genau so wieder, wie man sie aus der Schule kennt. Haider ist ein Rechtspopulist der neuen Art, der viele postmoderne Züge trägt. Man muß sich nur einmal seine optischen Signale ansehen: welche sportliche Kleidung er trägt, wie variabel er mit nationaler Symbolik und Zeitgeist umgeht. Das läßt ihn für viele als modernen Politiker mit Visionen erscheinen. Das ändert nichts daran, daß sein Ziel eine plebiszitäre Führerdemokratie ist, eine ganz starke Beschneidung des Parlaments. Das bedeutet auch eine eklatante Schwächung des liberalen Segments in der Österreichischen Gesellschaft. Ich glaube, in der Zweiten Republik ist es geglückt, in Österreich von innen eine gewisse Liberalität zu entwickeln, das sieht man in der Kunst und auch in der Form des öffentlichern Diskurses. All das würde sukzessive geschwächt werden. Hier sehe ich die eigentliche Gefahr.

Wie wird mit dem von Haider geführten „Kulturkampf“ und der wachsenden Intellektuellenfeindlichkeit umgegangen werden?

Ich denke, jetzt könnte die finanzielle Grundlage von Kunst massiv eingeschränkt werden, besonders bei vielen kulturellen Initiativen, die seit der Kreisky-Ära stark gefördert worden sind. Der Kulturkampf könnte sich in einer finanziellen Austrocknung unliebsamer Strömungen ausdrücken. Es scheint mir außerdem signifikant, daß sich im Bereich der Intellektuellen eine Neue Rechte in Österreich nicht richtig hat entwickeln können. Solche Figuren wie Botho Strauß gibt es in Österreich nicht.

Bleibt Österreich nach dieser Wahl politisch stabil?

Ich glaube, es wird jetzt eine Phase von häufigen Neuwahlen kommen. Die Äußerungen von Schüssel deuten darauf hin, daß er sich sehr zäh geben wird. Das könnte sehr instabile Verhältnisse bringen. Vranitzky ist aber auf ihn angewiesen. Er hat gar keine andere Chance – wenn er von einer Minderheitsregierung absieht – als mit dem Schüssel eine Koalition zu machen. Doch Schüssel wird einen sehr hohen Preis verlangen. Interview: Till Ehrlich

Ernst Hanisch, Professor für Neuere Österreichische Geschichte in Salzburg, ist einer der renomiertesten Historiker seines Landes. Seit den 70er Jahren setzt er sich kritisch u.a. mit Demokratiefeindlichkeit und der jahrelangen Verdrängung der NS-Zeit in Österreich auseinander. Eine Woche vor der Nationalratswahl hat Hanisch zusammen mit 150 Hochschullehrern einen öffentlichen Apell gegen Haider und seine „Dritte Republik“ initiiert.

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