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Kaum Kunden kamen ins Kino und Kaufhaus

■ Der Streik in Frankreich führte zu Umsatzeinbußen und Steuerausfällen

Paris (AFP/taz) – Auch wenn der Streik in Frankreich jetzt tatsächlich zu Ende sein sollte: Auf die Wirtschaft des Landes hat der Ausstand verheerende Auswirkungen gehabt. In vollem Umfang werden sich die Folgen nach Meinung von Konjunkturexperten aber erst in einigen Monaten zeigen. In der ersten Jahreshälfte wird sich der stark geschrumpfte Verbrauch der Haushalte und die verringerte Aktivität zahlreicher Unternehmen konkret in weniger Neueinstellungen oder Entlassungen, in Investitionsrückgang und Pleiten auswirken, unken Spezialisten. Manche rechnen damit, daß der Sozialkonflikt das Bruttoinlandsprodukt um O,2 bis O,3 Punkte drücken wird und die Steuereinnahmen entsprechend sinken.

Die stark vom Weihnachtsgeschäft abhängigen Wirtschaftsbereiche jammern über Einbußen, die in den letzten Tagen vor Heiligabend kaum wieder aufzuholen sind. Der Umsatz der Spielzeugindustrie verringerte sich im Vorjahresvergleich um 30 bis 40 Prozent. Die Feinkost- und Schmuckbranche rechnet mit Einbußen von 30 bis 70 Prozent. Im Raum Paris, wo der gesamte Nahverkehr stillstand und nur zögernd wieder anläuft, setzten die großen Kaufhäuser bis zu 60 Prozent weniger um als normalerweise in der Weihnachtszeit. Zahlreiche kleinere Geschäfte sind finanziell in Bedrängnis geraten. Mehrere stehen vor dem Aus, falls die Weihnachtseinkäufe nicht ganz massiv im letzten Moment nachgeholt werden.

In der Bekleidungsbranche ging das Geschäft nach Angaben des Arbeitgeberverbandes CNPF um 30 bis 40 Prozent im Vergleich zum Dezember 1994 zurück. Die Folgen werden sich noch im nächsten Jahr bemerkbar machen: Bis einschließlich März werden Hersteller und Geschäfte versuchen, durch Rabatte und Ausverkauf ihre liegengebliebenen Lagerbestände loszuwerden. Beträchtliche Folgen wird die Absatzschlappe auf die gesamte Textilbranche haben.

Im Großraum Paris ist die ohnehin geschwächte Baubranche weiter in Schwierigkeiten geraten. Wegen der Transportprobleme blieb die Arbeit zum Teil wochenlang liegen. Die rund 4.000 betroffenen Firmen des Hauptstadtgebiets müssen nach Angaben ihrer Gewerbekammer mit einem durchschnittlichen Tagesverlust von etwa 6.000 Mark rechnen. Über empfindliche Einbußen klagen in Paris auch Musik- und Tanzschulen, Veranstalter von Fortbildungskursen sowie Kinos, die wegen der Streiks im öffentlichen Verkehr 40 Prozent ihrer Kunden verloren. Reisebüros büßten nach Schätzungen ihres Branchenverbandes SNAV etwa 600 Millionen Mark durch stornierte Buchungen ein.

Auch bei den großen Staatsunternehmen ist die Streikrechnung enorm: Die Stromgesellschaft EDF verlor pro Tag etwa 15 Millionen Mark und die Bahngesellschaft SNCF rund 30 Millionen Mark. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP schätzen ihre täglichen Verluste auf 7,5 Millionen Mark.

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