: Beredtes Schweigen
■ Südkorea: Ex-Präsident Roh vor Gericht / Neuer Premier bestätigt
Seoul (AFP) – Im Zusammenhang mit dem großen Korruptionsskandal in Südkorea ist gestern der ehemalige Präsident Roh Tae Woo erstmals vor Gericht vernommen worden. Auf die Frage, ob er den 1992er Wahlkampf seines Nachfolgers, des heutigen Präsidenten Kim Young Sam, finanziert habe, sagte der 63jährige Roh, er werde dazu schweigen, um eine „nationale Krise zu verhindern“.
Im übrigen habe er sämtliche schriftlichen Dokumente, die den Eingang von Schmiergeldzahlungen belegen könnten, vernichtet. Die Anklage wirft ihm vor, während seiner Amtszeit von 1988 bis 1993 Schmiergelder in Höhe von umgerechnet 520 Millionen Mark von insgesamt 35 Unternehmen genommen und für seine politischen Zwecke eingesetzt zu haben. Nach einer mehr als sechsstündigen Anhörung wurde der Prozeß auf den 15. Januar vertagt.
Im Falle einer Verurteilung droht Roh eine lebenslange Haftstrafe. Roh und Chun Doo Hwan, sein Vorgänger, sollen auch hinter einem 1980 in Kwangju verübten Massaker stecken. Chun, der sich wegen des Militärputsches von 1979 im Gefängnis befindet, war am Montag von seinem 16tägigen Hungerstreik stark geschwächt.
Vor dem Gericht in Seoul mußten sich noch 14 weitere Angeklagte, darunter führende Wirtschaftsvertreter, verantworten.
Unterdessen stimmte das südkoreanische Parlament der Ernennung des früheren Rektors der Universität von Seoul, Lee Soo Sung, zum neuen Premier zu. Südkoreas Präsident hatte Lee am Freitag nominiert. Er wollte damit seiner Staatsführung ein neues Image verpassen. Lee erklärte, das Kabinett mit neuen Gesichtern besetzen zu wollen, die nicht mehr mit der Militärvergangenheit des Landes in Verbindung gebracht werden könnten. Der 56jährige forderte den Präsidenten auf, durch den Militärputsch an die Macht gekommene Konservative ihrer Ämter zu entheben. Für seine Kritik an Chun war Lee 1980 kurzzeitig festgenommen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen