: Arbeitsamt zahlt diskret
■ Einigung vor Gericht: Banker sollen nicht merken, welche Kundin von Arbeitslosenhilfe lebt / Überweisungsverfahren muß geändert werden
Der arbeitslose Davördener Carl Wiztke* hat die Bundesanstalt für Arbeit gerichtlich besiegt. Am Freitag gab das Landesarbeitsamt Bremen-Niedersachsen einer Klage Witzkes vor dem Celler Landessozialgericht mit einer „prozessualen Erklärung“ nach – und kam so dem Richterspruch zuvor: Das Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen „erkennt dem Grunde nach an, daß die Leistungsart nicht mehr auf dem Überweisungsträger angegeben wird“, schreibt es. Witzke triumphiert: Rund vier Millionen Arbeitslose und UmschülerInnen in ganz Deutschland werden von seinem Vorstoß profitieren. „Nun kann nicht mehr jeder Bankangestellte beim ersten Blick auf den Bankauszug erkennen, wer welches Geld vom Arbeitsamt bezieht.“
Wenig verschlüsselt steht das nämlich auf den Überweisungsformularen des Amtes – und folglich auch auf jedem Kontoauszug. Auf Witzkes beispielsweise stand zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit: Arbeitsamt Verden/ Gutschrift ALG. Das entlarvte den arbeitslosen Erzieher als Arbeitslosengeld-Bezieher. Später erhielt er, „für alle Bankangestellten offensichtlich“, Arbeitslosenhilfe im Anschluß an Arbeitslosengeld. Auch das stand auf seinem Kontoauszug – im Zusatz ALHIA.
Dagegen ging Witzke an – zumal anhand dieser Angaben jeder sein Einkommen und die Dauer seiner Arbeitslosigkeit hochrechnen könnte. Für ihn war klar: „Hier wurden Datenschutz und Sozialgeheimnis verletzt.“ Doch bei seinem Sachbearbeiter beim Arbeitsamt lief er mit diesen Argumenten ins Leere: „Der hat mir gesagt, das sei nicht abzustellen.“ Das war vor zwei Jahren. Vor sieben Monaten zog Witzke vor Gericht. Dort setzte sich das Arbeitsamt mit seiner Argumentation nicht durch, daß eine Anonymisierung der Zahlungen den EmpfängerInnen Nachteile bringe – die könnten sonst nur schwer erkennen, um welche der verschiedenen möglichen Zahlungen es sich handele, so das Amt. Nun muß das alte System abgeschafft werden.
Schon auf dem nächsten Kontoauszug will Witzke den verräterischen Zusatz nicht mehr sehen – „und wenn die das handschriftlich ändern.“ Für die übrigen Millionen Arbeitslosen wird der Datenschutz noch eine Weile auf sich warten lassen. „Die bundesweite Umstellung des jetzigen Verfahrens schaffen wir erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres“, sagt Heinz Lampmann, der zuständige Fachleiter der Nürnberger Bundesanstalt. Die gesamte elektronische Abrechnung für alle BezieherInnen müsse neu gestaltet werden, „egal, ob es um Zahlungen für Umschulungen oder für Ausbildungsbeihilfe gehe. „Alle sind ja betroffen. Das kostet mehrere Millionen Mark.
Inzwischen will Witzke ein Schmerzensgeld erstreiten. Dafür strengt er nun eine Zivilklage an: „Immerhin geht die Sache schon zwei Jahre.“
ede
*Name geändert
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