: Ladenschluß um acht Uhr abends
Das Kabinett machte den Weg für ein neues Ladenschlußgesetz frei. Verabschiedung nicht vor den Landtagswahlen im Frühjahr 1996. SPD und Gewerkschaften sind kampfbereit ■ Aus Bonn Karin Nink
Nun sollen längere Ladenöffnungszeiten tatsächlich Wirklichkeit werden. Das Kabinett beschloß am Montag abend, daß Läden künftig montags bis freitags von 6 bis 20 Uhr und samstags von 6 bis 16 Uhr geöffnet sein dürfen. Dabei können die Länder den samstäglichen Ladenschluß zwischen 14 und 18 Uhr selbst festlegen.
Trotz des Kabinettsbeschlusses bleibt aber unklar, ob es bei diesen Zeiten bleiben wird: Während man sich in der Unionsfraktion auf diese Uhrzeiten noch nicht festlegen will, glaubt die FDP-Fraktion, „daß es bei diesen Öffnungszeiten bleibt“. Auch die SPD hat via Bundesrat noch ein Wörtchen mitzureden. Die Sozialdemokraten lehnen den Entwurf ab und sprechen — etwas umständlich — von einer „Kampfansage von 20 Prozent nach Zeitsouveränität rufenden Höherverdienenden gegen die unter Fremdbestimmung Leidenden“.
Fakt ist deshalb bis jetzt nur: Es werden wohl noch vor der Sommerpause 1996 neue Ladenöffnungszeiten beschlossen. Wie die aber genau aussehen werden, bleibt weiterhin unklar.
Überhaupt nichts ändern wollen die Gewerkschaften. Sowohl die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) als auch die Deutsche Angestellten- Gewerkschaft (DAG) kritisieren den Kabinettsbeschluß als arbeitnehmer- und familienfeindlich. DAG-Sprecher Ingo Schwope: „Wir werden gegen den Spätverkauf und 52 lange Samstage im Jahr mit allen gewerkschaftlichen Mitteln Widerstand leisten.“
HBV-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold kündigte Großveranstaltungen gegen den Beschluß an. Sie kritisierte die Kabinettsentscheidung als „Flucht am Parlament vorbei“. Denn nach dem Beschluß des Kabinetts wird der Entwurf zunächst dem Bundesrat zugeleitet und geht von dort zurück ins Kabinett, bevor er erstmals im Parlament diskutiert wird. Die Regierung traue sich nicht, den Weg über das Parlament zu nehmen, weil das Thema Wählerstimmen koste, meint Wiethold.
In der Tat wurde eine Entscheidung zum Ladenschluß von der Union so lange verzögert, daß sie nun erst nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Schleswig- Holstein und Baden-Württemberg gefällt werden kann. Die Mittelstandslobbyisten in der Union glauben nicht, daß längere Öffnungszeiten sich rentieren und neue Arbeitsplätze begünstigen. Die Arbeiternehmer in der Union wollen hingegen Klarheit über die soziale Absicherung der Beschäftigten, bevor sie dem FDP-geprägten Entwurf zustimmen.
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