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Hausbesetzen lohnt sich doch!

■ Der Hamburger Senat verkauft die Hafenstraße an eine Genossenschaft. Aus Besetzern werden Sozialmieter

Hamburg (taz) – Der jahrelange Konflikt um die Häuser in der Hamburger Hafenstraße gehört seit gestern nachmittag der Vergangenheit an. Der Hamburger Senat beschloß den Verkauf der bunten Häuser an die eigens gegründete Genossenschaft „Alternativen am Elbufer“. Dieser großen Koalition von Honoratioren ist gelungen, was exakt 14 Jahre lang unvorstellbar schien: Das ehemalige „Terrornest“ wird zu einer sanierten Sozialwohnungsmeile in bester Elblage mit Kaltmieten von rund fünf Mark netto pro Quadratmeter. Die ehemaligen Besetzer sind auch die neuen Sozialmieter.

Jahrelang hatte die Staatsgewalt vergeblich versucht, die Hafenstraßen-Bewohner zur Aufgabe zu zwingen. Mehrere Straßenschlachten zwischen BewohnerInnen und der Polizei mit reichlich Verletzten auf beiden Seiten waren die Bilanz diverser Räumungsversuche. Auch ein Bürgermeister blieb auf der Strecke: Regierungschef Klaus von Dohnanyi (SPD) wurde von seinem Intimfeind und Nachfolger Henning Voscherau abgesägt. Erste Vermittlungsversuche des Milliardärs Jan Philipp Reemtsma scheiterten. Doch der vor neun Monaten gestartete zweite Versuch erweist sich nun als erfolgreich.

Treibende Kraft und Hauptfinanzier der Genossenschaft ist der Rechtsanwalt und Kunstmäzen Hans-Jochen Waitz, weitere prominente Mitglieder sind Adrienne Goehler, Präsidentin der Hochschule für Bildende Künste, Uwe Blöcker, Boß des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmer, sowie Erich Braun-Egidius und Carl-Ernst Borgstede, Chefs der altehrwürdigen Patriotischen Gesellschaft. 2,05 Millionen Mark wird die Genossenschaft als Kaufpreis für den Häuserkomplex hinblättern. Daneben übernimmt sie die Hälfte der „Altschulden“ – meist Mietrückstände – der BewohnerInnen in Höhe von rund 230.000 Mark. Außer den Häusern erhält die Genossenschaft eine Kaufoption für die angrenzenden Freiflächen und ein Nutzungsrecht, bis die Option wahrgenommen wird.

Im Gegenzug sichert sich die Hafenrand GmbH, die im Auftrag der Stadt die Gebäude bislang verwaltet, ein fünfzehnjähriges Vorkaufsrecht für die Häuser, falls die Genossenschaft die Altbauten weiterveräußern will. Innerhalb von fünf Jahren kann die Stadt die Bauten zudem zurückkaufen, wenn die Genossenschaft sich auflöst oder wesentlich verändert. Waitz & Co. verpflichten sich, die Häuser „zügig zu sanieren“. Die Kosten dürften sich auf sechs bis sieben Millionen Mark summieren, die Sanierung soll in sechs bis sieben Jahren abgeschlossen sein.

Grund genug für den Hamburger CDU-Chef Dirk Fischer, mächtig ins Horn zu tuten: „Wer mit Steuergeldern rechtschaffener Bürger notorischen Rechtsbrechern Wohnungen in bester Lage zuschanzt, brüskiert Friedfertige und belohnt Chaoten.“ Sven-Michael Veit

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