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Ausländeramt menschlich

■ Viermal mißlang die Abschiebung. Nun gewährte das Ausländeramt dem Algerier Abdelouahab H. und der Deutschen Martina R. zwei Wochen Aufschub vor der Ausweisung.

Eigentlich hatte Martina R. die Hoffnung auf gemeinsame Weihnachten mit Freund und Familie schon vor Wochen begraben. Aus gutem Grund: Ihrem Freund, dem abgelehnten Asylbewerber Abdelouhab H., drohte die Abschiebung nach Algerien (s. taz v. 18.,23.,25.11). Doch die mißlang gleich vier Mal in vier Wochen – aus den unterschiedlichsten Gründen. Am Montag, nachdem schon wieder ein Abschiebeversuch daran scheiterte, daß die vorgesehene Linienmaschiene nach Algier zur Reparatur im Hangar stand, gab die Ausländerbehörde auf. Abdelouahab H. wurde nach zweieinhalb Monaten Abschiebehaft entlassen. Bis zum 5. Januar muß er nun selbstständig ausreisen.

„Ist das nicht toll? Jetzt feiern wir mit meiner Familie noch richtig Weihnachten“, sagt Martina R. Die junge Frau, die ihren Freund bereits nach islamischen Recht geheiratet hat, klingt zuversichtlich: „Die zwei Wochen, die uns bis zu Karims* Abreise noch bleiben, werden uns guttun.“ Ihr Freund sei mittlerweile damit einverstanden, nach Hause zu reisen um endlich persönlich die Heiratspapiere zu beschaffen, die via Post einfach nicht kamen.

Hinter dem algerisch-deutschen Paar liegt eine harte Zeit. Weil H. nach dem abgelehnten Asylantrag nicht pünktlich ausreiste, war er in Abschiebehaft geraten. Da hatten die beiden Panik gekriegt, weil sie befürchteten, nicht heiraten zu können. Am 17. November unternahm H., damals schon an Bord der Maschine nach Amsterdam, einen Selbstmordversuch. An der bevorstehenden Abschiebung änderte der so wenig wie die erklärten Heiratsabsichten. Auch ein gerichtlicher Eilantrag bei einem folgenden Abschiebeversuch brachte nur Aufschub in einer grotesken Situation: Fünf Minuten vor dem Abflug nach Algier wurde H. zwar aus der startbereiten Maschine geholt, in die man ihn trotz unverheilter Wunden vom Selbstmordversuch gesetzt hatte. Doch das Gericht gewährte nur ein paar Tage Aufschub bis zur Genesung.

„Danach rechneten wir jeden Tag mit Abschiebung“, blickt Martina R. zurück auf die letzten Wochen „voller Streß und Kuddelmuddel“. Streß wegen der Sorge um den Freund: „Der zweite Abschiebeversuch war schlimm“, erzählt sie. „Da hatte man ihn von Kopf bis Fuß bandagiert, damit er sich nichts antut.“ Zu alldem kam die Angst, daß „Karim“ nach einer Abschiebung nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfe. „Wo wir doch heiraten wollen. Karim hat immer gesagt: hier findet Sabotage statt“, berichtet Martina R. Erst als die Behörde auf den Widerstand des Paares hin eine schnelle Wiedereinreise nach der Abschiebung zusicherte, schien der Knoten gelöst. Nun sollte die Abschiebung endlich kommen – doch das „Kuddelmuddel“ ging weiter.

„Zweimal hatten wir uns schon verabschiedet, weil Karim am nächsten Tag abgeschoben werden sollte. Einmal letzte Woche und einmal diese“, sagt Martina R. „Aber jedesmal klingelte anschließend das Telefon – und Karim war wieder hier.“ Seine Freundin kann schon wieder lachen, wenn sie von der Achterbahn der Gefühle erzählt, in die sie nach diesen Abschiebepannen geriet. „Wir waren doch darauf vorbereitet, uns nicht zu sehen, bis Karim mit den Heiratspapieren wiederkommt.“ Alles sei auf Abschied programmiert gewesen – inklusive der Reisetasche mit den Geschenken für die algerischen Verwandten.

Den Stollen, der darin war, essen Martina und Karim nun selbst, und der Schwiegervater muß auf den Bremen-Kalender eben noch ein paar Tage warten. Solange Karim hier ist, will das Paar alles mögliche unternehmen. Freunde besuchen, Verwandte treffen – oder einfach die Freiheit genießen. Denn Karim steckt der Knast noch in den Knochen. „Manchmal steigt er in der Stadt einfach an einer Haltestelle aus der Straßenbahn“, sagt Martina – wie um sich zu vergewissern, daß er sich wieder frei dürfe.

Nein, dankbar ist Martina R. für den Aufschub und diese neue Situation eigentlich niemandem. „Nach der ganzen Geschichte ist es nur fair, auch mal Kulanz zu zeigen“, findet sie. Dieter Trappmann, der Leiter der Ausländerbehörde, sagt nur: „Wir hätten den Mann auch morgen abschieben können.“ Nun aber habe H. unvermutet seinen Paß wiedergefunden und könne deshalb ohne Grenzschutz ausreisen. Man würde der Frau den Freund noch eine Weile lassen. Martina R. freut sich darüber: „Das ist doch mal was anderes. Diesmal wird er nicht vom Grenzschutz an mir vorbeigeführt. Diesmal bringe ich ihn selbst zum Flughafen.“

Eva Rhode

*so nennt Martina ihren Freund

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