: Borttscheller löst Koalitionskrise aus
■ SPD: Borttscheller eklatante Fehlbesetzung /CDU: „Wir stehen zu Borttscheller“
Mit seinem Angriff auf die Bremische Evangelische Kirche (BEK) hat Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) nicht nur in sämtliche Fettnäpfchen getreten, sondern auch eine Koalitonskrise ausgelöst: „Borttscheller droht als Innensenator eine eklatante Fehlbesetzung zu werden“, erklärten gestern der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Jens Böhrnsen und die ausländerpolitische Sprecherin Barbara Wulf. „Derartige verbale Rundumschläge erschüttern die Basis für einer weitere Zusammenarbeit mit Senator Borttscheller nachhaltig. Es besteht dringender Anlaß, daß die CDU-Bürgerschaftsfraktion den Innensenator zur Ordnung ruft.“ Doch davon will die CDU nichts wissen. „Wir stehen voll hinter Innensenator Ralf H. Borttscheller“, betonte CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer gestern sofort. Er bezeichnete die Reaktion der SPD als „überzogen und unvertretbar“ und gab einen deutlich hörbaren Warnschuß in Richtung seiner KoalitionspartnerInnen ab: Die Abgeordnete Wulff begebe sich „in ein schwieriges Feld, was sich durchaus zu einer politischen Belastung entwickeln könnte.“
Wie berichtet, hatte Borttscheller der BEK unterstellt, daß die „Sympathisanten-Szene für die terroristische PKK“ bis in ihre Führungsebene hineinreiche. Anlaß war eine Tagung in den Räumen der Kirche am 17. November unter dem Titel „Kurdisches Exilparlament in Europa“. An der Veranstaltung hatten unter anderem drei Mitglieder des Exilpalarmentes teilgenommen. „Borttscheller hat etwas Entscheidendes mißverstanden“, kritisierte Rechtsanwalt Albert Timmer, einer der Veranstalter der Tagung. „Es handelte sich nicht um eine „Tagung des kurdischen Exilpalarments“, sondern um eine Diskussion, bei der ledigleich die Möglichkeiten und Aspekte einer politischen Lösung des Krieges in der Türkei beleuchtet werden sollten.“
Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, sind die Mitglieder des Exilpalarments, Remzi Kartal, Necdet Buldan und Serhat Bucak einen Tag nach der Veranstaltung auch von Bürgermeister Henning Scherf (SPD) im Rathaus empfangen worden.
„Dank der Kriminalisierungsstrategie des Innensenators darf sich jetzt auch Bürgermeister Scherf zum Kreis der Terroristensympathisanten zählen“, spotteten daraufhin die Grünen. Der Innensenator wollte zu dieser Schlußfolgerung keinen Kommentar abgeben. Auch Scherf schwieg sich aus. „Das war ein informelles Gespräch. Ein sogenanntes Non-Gespräch, das praktisch gar nicht stattgefunden hat. Deshalb gilt es auch nicht als Gespräch, und der Senator äußert sich nicht“, sagte gestern ein Senatssprecher.
Borttscheller mußte sich gestern Kritik von allen Seiten gefallen lassen. „Es vergeht keine Woche, in der Senator Borttscheller nicht mit einer neuen peinlichen Entgleisung aufwartet“, resümierte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas. „Das Auftreten von Herrn Borttscheller zeigt, daß er seinen Aufgaben als Senator nicht gewachsen ist.“
Auch Sozial–Senatorin Tine Wischer (SPD) ist über Borttschellers Äußerungen empört: „Kritische Diskussionen über die Lage der Kurden in der Türkei mit Sympathie für Terrorismus gleichzusetzen ist für mich nicht hinnehmbar. Es darf nicht zugelassen werden, daß Menschen, die sich schwieriger Probleme annehmen, von der bremischen Politik alleingelassen, ausgegrenzt und diffamiert werden.“
In die gleiche Kerbe schlug auch Ausländerbeauftragte Dagmar Lill. Sie zollte der Kirche Respekt, daß sie zu Themen politischer und gesellschaftlicher Ungerechtigkeit aus christlicher Sicht Stellung nehmen würde. „Aber macht mich nachdenklich, daß dazu in Bremen jetzt offenbar Mut gehört.“
kes
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