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Große Koalition in Lettland ohne Siegerist

■ Parteiloser Andris Skele wird Premier

Stockholm (taz) – Knapp drei Monate nach den Parlamentswahlen hat Lettland seit Donnerstag eine neue Regierung. Beim dritten Anlauf konnte Staatspräsident Guntis Ulmanis einen Kandidaten für die Regierungsbildung finden, der tatsächlich das Vertrauen einer Parlamentsmehrheit bekam.

Der neue Ministerpräsident heißt Andris Skele. Er gilt als parteipolitisch unabhängig und wird einer großen Koalition vorstehen, die von der linkspopulistischen Saimnieks bis zur bisherigen Regierungspartei „Lettlands Weg“ reicht und neben der Bauernpartei noch einige weitere kleine konservative Parteien einschließt. Die neue Regierung kann sich auf eine breite Mehrheit von 70 der 100 Abgeordneten im Parlament stützen. Aufs Abstellgleis geschoben wurde auf diese Weise die Rechtsaußenpartei „Für Lettland“ des Deutsch-Letten Joachim Siegerist.

Der 37jährige Andris Skele war Vizelandwirtschaftsminister in der ersten lettischen Regierung nach der Unabhängigkeit unter Ministerpräsident Ivars Godmanis. Danach hat er als Geschäftsmann ein ansehnliches Vermögen angehäuft. Teilweise unter dubiosen Umständen im Rahmen der Teilhaberschaft an einer Investmentgesellschaft zusammen mit dem früheren Landwirtschaftsminister Dainis Gegeris. Gegen letzteren ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Unterschlagung von mehreren Millionen Dollar ausländischer Hilfsgelder.

Offiziell gibt es in diesem Zusammenhang noch keine Anklage gegen Andris Skele selbst. Lettische Medien sprechen wegen dieser Betrugsaffäre von „Lettlands Berlusconi“. Weder innen- noch außenpolitisch wird von der neuen Regierung eine Änderung des bisherigen Kurses erwartet. Nur die Bauern dürfen damit rechnen, daß sich das Sterben der Höfe verlangsamt, wenn die lettische Wirtschaft stärker von billigen Auslandsprodukten abgeschottet wird. Reinhard Wolff

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