Mafiöse Schlammschlacht in Italien

■ Staatsanwaltschaft beantragt Verfahren gegen den einstigen Mafia-Ermittler Di Pietro – und gegen seine Denunziatoren

Rom (taz) – Schwere Zeiten für Antonio Di Pietro, den ehemaligen Superermittler gegen Italiens Korruptionsfilz: Die Staatsanwaltschaft der Stadt Brescia hat die Eröffnung von drei Strafverfahren gegen den Ende 1994 zurückgetretenen Juristen beantragt. Di Pietro soll sein Amt dazu benutzt haben, Aufträge zur Computerisierung der Justiz ehemaligen Mitarbeitern seiner Dienststelle zuzuschanzen. Außerdem soll er von einem Unternehmer einen Kredit von umgerechnet etwa 100.000 Mark erpreßt, bei der Ernennung eines Freundes zum Chef der Stadtpolizei von Mailand mitgewirkt und zu dessen Gunsten Kredite für die Bezahlung von Spielschulden erwirkt haben.

Die Ankläger von Brescia – sie sind territorial für Vergehen im Nachbarbezirk Mailand zuständig – suchten aber auch nach Ausgewogenheit. Vor Gericht landen sollen auch jene, die die Verfahren gegen Di Pietro überhaupt erst in Gang gebracht haben. Denn sie sollen, bevor sie ihr Wissen in die Öffentlichkeit lancierten, Di Pietro erpreßt haben, was diesen wiederum zu seinem überraschenden Rücktritt veranlaßt habe, damit seine Anti-Mafia-Ermittlungen nicht gefährdet würden. Vor Gericht sollen daher auch Paolo Berlusconi, Bruder des Medienzars; Cesare Previtti, Ex-Syndikus der Berlusconi-Holding Fininvest und bis Ende 1994 Verteidigungsminister; sowie zwei Kommissare des Justizministeriums.

Während einige der Vorwürfe wohl wirklich nur mit einem Gerichtsverfahren geklärt werden können, sind andere weniger einleuchtend. Sicher kann nur vor Gericht festgestellt werden, ob Di Pietro den Kredit wirklich von dem Unternehmer erhalten hat und nicht, wie er selbst behauptet, von einem Freund, der lediglich bei diesem Unternehmer angestellt war. Die Ernennung des Polizeikommandanten läßt sich Di Pietro nur schwer anlasten – er nahm lediglich einmal an einer Sitzung des Sondierungsausschusses teil, lange bevor die Ernennung geschah. Völlig absurd scheint der Vorhalt hinsichtlich der Computerisierung: Tatsächlch hatte Di Pietro dafür die Firma zweier ehemaliger Justizmitarbeiter vorgeschlagen – doch die ganze Einrichtung wurde von diesen kostenlos besorgt und gilt heute als die modernste Justizdatei Italiens.

Besser fundiert sind die Vorwürfe gegen die Denunzianten Di Pietros. Bei Paolo Berlusconi wurden Dossiers gefunden, die zur Erpressung benutzt worden waren, und gesichert scheint auch, daß Verteidigungsminister Previtti – damals Oberaufseher über den militärischen Geheimdienst – widerrechtlich Materialien gegen Di Pietro ans Justizministerium geleitet hat. Die Entscheidung über die Zulassung der Anklagen liegt nun beim Richter für Voruntersuchungen in Brescia. Werner Raith