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"Ich lasse mich nicht erpressen"

■ Polens Premierminister Oleksy wehrt sich gegen Spionagevorwürfe und lehnt einen Rücktritt ab. Der Regierungschef und der Innenminister müssen jetzt das Parlament über die Vorfälle informieren

Warschau (taz/dpa) – Das polnische Parlament, der Sejm, hat am Donnerstag genauere Informationen über die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Jozef Oleksy verlangt. Ohne Gegenstimmen beschloß der Sejm, daß Oleksy und der scheidende Innenminister Andrej Milczanowkski den Abgeordneten Bericht erstatten sollen. Eine Aussprache und Fragen waren nicht vorgesehen. Die Anhörung Milczanowskis wurde für den späten Donnerstagabend erwartet.

Zuvor war Jozef Oleksy in einer Fernsehansparche auf die schwerwiegenden Spionagevorwürfe eingegangen, die Walesa gegen ihn erhoben hatte.

Er lasse sich nicht erpressen, sagte der Premierminister. Den Leuten vom Geheimdienst warf Oleksy vor, mit Billigung Lech Walesas und des Innenministers Milczanowski „die innere Stabilität des Landes zu gefährden“. Die vorgelegten Dokumente, so Oleksy, seien möglicherweise gefälscht. „Im Kampf um die Macht kennt das Lager um Lech Walesa keine moralischen und ethischen Hemmungen. Solche Aktionen unternehmen Menschen, die krank vor Haß sind.“ Schon vor einer Woche, erklärte Oleksy mit bebender Stimme, sei er aufgefordert worden, bis zum 19. Dezember zurückzutreten. Dann würden die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht publiziert, und es würde ihm auch nichts passieren. Doch einen Rücktritt lehne Oleksy kategorisch ab. Er sei allerdings bereit, seine Immunität aufheben zu lassen, so daß die ganze Angelegenheit vor Gericht geklärt werden könne. Janusz Karpinski, Pressesprecher des bis heute amtierenden Präsidenten Polens, Lech Walesa, wies den Vorwurf der Erpressung mit einer Gegenfrage zurück: „Der Ministerpräsident sagt, ,man‘ habe ihn aufgefordert. Warum sagt er nicht, wer ,man‘ ist?“

Zu den Dokumenten, die Walesa und Milczanowski dem Militärstaatsanwalt zur Überprüfung überlassen haben, zählen laut Radioberichten Fotos, die Oleksy mit Agenten des KGB im Gespräch zeigen. Verzeichnet seien auch die Namen der Gesprächspartner Oleksys, die Daten der Treffen, die Telefonnummern, die Oleksy angerufen haben soll. General Wojciech Jaruzelski hält solche „freundschaftlichen Kontakte zu russischen Diplomaten“ für „völlig normal“. Dies müsse keineswegs bedeuten, daß Oleksy auch ein russischer Agent sei. Zu den Dokumenten zählten auch Bänder, die bewiesen, daß Oleksy mit dem in Polen stationierten KGB-Mann in Kontakt gestanden habe. Diese Bänder, so Oleksy in seiner Ansprache, seien wahrscheinlich gefälscht. Ihre Existenz bedeute aber, daß der Sicherheitsdienst Polens seinen Ministerpräsidenten abhöre. Und es sei mehr als merkwürdig, daß die Dokumente ausgerechnet zum Vorschein kämen, wenn Lech Walesa als Präsident abtreten müsse. Gabriele Lesser

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