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Sozialstaat: Zahlen sollen immer nur die andern

■ Aus der weihnachtlichen Medienschlacht: Blüm gegen Frühverrentung, Arbeitgeber gegen Kündigungsschutz, Gewerkschaften für Überstundenzuschläge

Berlin (taz) – Die nachrichtenarmen Feiertage sind die beste Zeit für Interessenvertreter, Pressemitteilungen loszuschicken oder Exklusiv-Interviews zu geben. Vor allem zum Thema Sozialabbau. Hans-Peter Stihl, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), erklärte kurz vor Weihnachten in einem Interview mit Bild, die Renten müßten auf lange Sicht gesenkt werden. Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) protestierte gegen diese Forderung in einem Gespräch mit der Welt am Sonntag. Blüm forderte die Wirtschaft im Gegenzug auf, die Welle der Frühverrentungen zu stoppen. Denn ebendiese Frühverrentungen seien mit verantwortlich für die hohen Beiträge.

Gegen eine schlichte Abschaffung der Frühverrentungen wandte sich wiederum IG-Metall- Chef Klaus Zwickel in einem Interview mit Bild am Sonntag. Politiker dürften ab 55 in Pension gehen, mit Bezügen, die normale Arbeitnehmer nie in ihrem Leben erreichen könnten. Dieselben Politiker wollten nun den Arbeitnehmern einen sozialverträglichen Ruhestand streichen, rügte Zwickel. Die jetzt gültigen Vorruhestandsregelungen müßten verlängert werden, bis neue sozialverträgliche Lösungen gefunden seien.

Aber wer zahlt die und mit welchen Beiträgen? Der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer jedenfalls ist die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ein Dorn im Auge. Die Politik hätte die Bedingungen für die Unternehmer in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert, so Verbandspräsident Thomas Bentz laut einem Interview mit dem Stern. Offenbar gebe es für die Politiker „keine Grenze mehr dafür, was der Staat sich vom Eigentum seiner Bürger nehmen darf und was nicht“, so Bentz.

Bei solchen Geschossen von allen Seiten kann man Blüm verstehen, der in einem Essay im Spiegel beklagte, daß in den Schlammschlachten in den Medien nur noch „virtuelle Politik“ gemacht werde.

Eine Probe in Richtung Handlungsfähigkeit steht jetzt bei der Frage der Überstunden bevor. DGB-Chef Schulte forderte in einem dpa-Gespräch, Überstunden sollten künftig nur noch durch Freizeit ausgeglichen werden. Zwickel möchte den Beschäftigten allerdings noch die Überstundenzuschläge in bar zugestehen. Für die freiwerdenden Kapazitäten sollen die Unternehmer dann neue Kräfte einstellen. Klaus Murmann, Präsident des Arbeitgeber-Dachverbands BDA, möchte hingegen vor allem den Kündigungsschutz lockern. Nur dann könne es mehr Neueinstellungen geben. 3,6 Millionen Arbeitslose sind gespannt. BD

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