: Große Koalition - eine Halbjahresbilanz
■ Manfred Fluß (SPD), ehemaliger Finanzsenator, Beförworter einer großen Koalition, heute Bürgerschafts-Abgeordneter, im taz-Gespräch über die wirtschafts- und finanzpolitische Wende unter dem SPD/CDU-Senat
taz: Die Zukunft Bremens hängt an dem Investitionssonderprogramm, das ist parteiübergreifender Konsens. Was sind für Sie die wichtigsten Bereiche dabei?
Manfred Fluß: Ich sehe in der Rangfolge den Bereich Wissenschaft und Forschung vorn, den der Verkehrsinfrastruktur und der Gewerbeflächen, aber schon mit differenzierten Schwerpunkten, und letztlich das, was die Stadt attraktiv und lebenswert macht, Stadt am Fluß, Tourismus und sonstige Programme.
Die Wissenschafts-Investitionen, über eine Milliarde des ISP, werden ja teilweise fälschlicherweise rein unter „Investiton“ gebucht. Was dazugehört und was bleibt, sind die laufenden und die Personalkosten. Gibt es eine Idee, wie das im Haushalt untergebracht werden soll? Wieviel kommt da auf den Bremer Haushalt zu?
Das ganze ist so langfristig angelegt, daß man begründete Skepsis haben kann, ob das so alles übernommen werden kann. Wir setzen beim Wissenschaftsbereich auch auf Innovationen, die Wertschöpfung, Arbeitsplätze und mehr Steuern schaffen sollen. Natürlich ist mir insbesondere als Finanzsenator manchmal ein bißchen bange geworden, was daran für Folgekosten hängen.
Gibt es dazu Berechnungen? Schätzungen?
Das ist schwierig, weil es darauf ankommt, was man dazurechnet. Ich schätze einmal etwa 100 Millonen Folgekosten, am Anfang des nächsten Jahrtausends.
Jährlich?
Pro Jahr. Das ist für den konsumtiven Bereich immer noch darstellbar, wenn man an anderer Stelle kürzt.
Bei den Gewerbeflächen ist immer die Frage, ob man nicht nur Umsiedlungen und Rationalisierungen innerhalb Bremens subventioniert.
Das ist auch schon ein gewisser Wert, wenn Unternehmen, die innerhalb Bremens sonst keine neue Flächen finden würden und sonst – wie schon so häufig – ins niedersächsische Umland abwandern würden. Im Gewerbeflächenprogramm hat die Ampel-Regierung eine ganze Menge gemacht, davon zehrt diese Regierung noch. Insbesondere an den Verkehrsachsen muß es aber noch mehr Gewerbeflächen geben.
Hemelinger Marsch?
Dafür war ich immer, und wenn die wichtigste neue Verkehrsachse für Bremen, die A 218, insgesamt mit Weserquerung fertig ist, dann muß auch über das Niedervieland wieder nachgedacht werden.
Dort darf also kein Vogel- und Naturschutz sein.
Man muß sich doch fragen, wohin entwickelt sich Bremen,
Das sind alles Investitionen für das Jahr 2020.
Sehr langfristig, ja.
Eigentlich stellt sich doch die Frage, welche Investitionen tragen Früchte, wenn die 10 Milliarden Bonner Sanierungshilfe enden, also 1999. Gibt es da Elemente?
Das ist viel stärker Sache des Wirtschaftsressorts als Sache der Finanzpolitik. Vieles ist natürlich auf Hoffnung abgestellt. Was 1999 greift, das können Ihnen nicht einmal die Wirtschaftsfachleute genau sagen.
Konkret: Ocean Park. Kommt der?
Ich bin da sehr skeptisch, auch wenn die Bremerhavener soetwas nicht gern hören. Da macht man sich zuzviel Hoffnung. Es darf jedenfalls nicht so sein, daß Bremen riesige Investitionen für die Infrastruktur vorfinanziert und hinterher kommt da nichts. Oder nachher muß der Staat die ganze Einrichtung noch betreiben. Der Ocean-Park steht und fällt mit einem kapitalkräftigen Investor...
Gibt es den?
Ich sehe den noch nicht. Und wenn man mich als Geschäftsmann fragen würde: Würdest Du da investieren?, dann würde ich mir sagen: Wie soll sich das ganze denn tragen? Wie kann z.B. eine vierköpfige Familie pro Person 50 Mark Eintritt oder mehr bezahlen? Aber wenn wir jemanden finden, der das positiv einschätzt und investiert, dann – sehr schön.
Der andere große Park ist der Space-Park. Vor einem Jahr hat es bei der Dasa eine pompöse Versammlung gegeben, auf der viel Euphorie geschürt und eine Entscheidung bis Ende 1995 versprochen wurde. Gibt es die 100-Millionen-Investoren jetzt?
Da müssen Sie die Wirtschaftsbehörde fragen. Ich bin da auch sehr skeptisch. Ich kenne bisher solche Investoren nicht.
In der Ampel-Zeit hat die CDU-Opposition immer heftig kritisiert, daß zu wenig kommunales Eigentum verkauft werde zur Sanierung der Staatsfinanzen. In Ihre Amtszeit fiel der Verkauf der Stadtwerke-Anteile...
... und der Beamtenbau und der Brebau.
Vor wenigen Wochen wurde der Finanzdeputation mitgeteilt, daß der jährliche Vorteil durch diesen Verkauf unter 20 Millionen liegt, weil Steuervorteile verloren gehen.
Es kommt jetzt auf das Modell an, wie man die BVV, diese Holding von Stadtwerken und Straßenbahn, organisiert. Da sind auch steuersparende Modelle denkbar. Die Konstruktion wird anders sein müssen als bisher, man bekommt z.B. die Steuerersparnis erst ein Jahr später.
Sie müssen aber sehen, daß es beim Stadtwerkeverkauf nicht nur um das Ziel ging, Schattenhaushalte ablösen zu könen, sondern auch um die Idee, durch Hereinnahme von anderen Energieversorgungsunternehmen, die strategische Wettbewerbssituation zu stärken und letztlich dann auch um die betriebswirtschaftliche Situation des Unternehmens. Auch wenn wir genug Geld gehabt hätten, wäre es sinnvoll gewesen, Partner mit hineinzunehmen, um den Betrieb Stadtwerke effektiver zu machen.
Die Angst vor der Konkurrenz bei Aufhebung der Monopol-Strukturen im Energiesektor war unbegründet. Die EU wird das jetzt nicht beschließen.
Ich kenne einen letzten Stand nicht. Das ist mir neu. Ich glaube nicht, daß die EU langfristig abgesteckte Bereiche für die Energie-Unternehmen akzeptiert. Das würde der ganzen EU-Politik der Liberalisierung der Märkte widersprechen.
Der Verkauf der BEB ist ein neues Thema...
Ganz nicht. Es gab Überlegungen, Anteile zu verkaufen. Neu ist die Idee, die BEB vollständig an die Stadtwerke zu übertragen.
Macht das Sinn?
Es muß für die Kommune unbedingt eine politische Steuerungsmöglichkeit bleiben. Die sehe ich am ehesten dadurch gewahrt, daß man nur Anteile verkauft und auch dies an mehrere Partner. Ich finde, man sollte da nicht zu hektisch herangehen und an einem Wochenende sagen: Wir verkaufen alles an die Stadtwerke.
Aus Verkäufen von staatlichem Eigentum soll der Stadtreparaturfonds gespeist werden, aus dem Schulen und anderes saniert werden sollen. Das war von der großen Koaliton als süßes Bonbon angesichts der bitteren Sparpillen angekündigt worden. Der Topf bleibt vorerst leer, wenn jetzt nicht hektisch verkauft wird.
Es ist daran gedacht, die Bremische Gesellschaft ganz oder teilweise zu verkaufen. Ich bin da auch skeptisch. Das ist eine ganz andere Situation als bei der Brebau oder der Beamtenbaugesellschaft. Die Bremische ist viel stärker Instrument der kommunalen Wohnungsfürsorge. Und man wird nicht annähernd das bekommen, was man für die Beamtenbau bekommen hat. Problematisch finde ich auch die Mittelverwendung: Man kann nicht kommunales Eigentum verkaufen, um normale laufende Ausgaben zu finanzieren. Das fällt jedes Jahr wieder an. Man sollte genau überlegen, ob man Schulen saniert und Straßen repariert mit Mitteln, die man nur einmal hat.
Was könnte sonst verkauft werden?
Ich sehe das im Moment nicht.
Die Gelder aus den drei Verkäufen Ihrer Amtszeit wurden vor allem verwandt, um Schulden aus Schattenhaushalten zu tilgen. Inzwischen sind neue Schatten-Haushalte produziert worden...
Die Hibeg hat gewisse Einkäufe getätigt, die aber hoffentlich werthaltig sind und sich zum Teil selbst finanzieren...
Schiffsbeteiligungen, Senatorlinie – darf man das ironisch nehmen?
Naja, da gibt es auch die Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft, die Gewinne macht. Zum Teil stimmt das jedenfalls.
Fortsetzung morgen (30.12.)
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