■ Rußland robbt sich über den Iran zum Erdöl vor: Teile und herrsche
Die Bedeutung des Besuchs des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Dawydow in Teheran und das dabei unterzeichnete Abkommen mit dem „Freund und strategischen Partner“ Iran (Dawydow) liegt vordergründig nicht in dem vereinbarten Bau eines Atomkraftwerks oder in dem politischen Schulterschluß beider Länder. Angesichts des Öl-Magnaten Tschernomyrdin an der Spitze der russischen Regierung braucht man nicht lange zu rätseln, welche der vielen russischen Motivationen überwiegt. Unaufhaltsam robbt sich Moskau über den Atomstrom rückwärts in die Zukunft: zum guten alten Erdöl.
Bis heute hat Iran der von Rußland angestrebten Aneignung des großen kaspischen Erdöl-Schelfes nicht zugestimmt. In dessen Niederungen lagern mindestens 1,8 Millionen Barrel besten Stoffes. Interesse daran hat Teheran unter dem Verhandlungstisch gezeigt – aber nicht gegenüber Rußland, sondern führenden Apparatschiks der Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan, auf deren Territorium das Öl liegt. Baku hat an einem Abkommen handfestes Interesse. Es möchte den Konflikt mit den Iranern mildern, der durch die Gründung eines internationalen Konsortiums zur Ausbeutung der aserbaidschanischen Ölvorkommen im Kaspischen Meer entstanden ist.
Angesichts dessen ist das Wettrennen zwischen Moskau und Baku in eine entscheidende Phase eingetreten. Ohnehin kennt die Kaukasus- und Nahostpolitik der russischen Regierung seit zweihundert Jahren keine klügere Maxime als „Teile und herrsche“. Während sich Rußland und die Ukraine um die Schwarzmeerflotte stritten, freute sich als dritte die Türkei. Sie beherrscht heute die Wogen dieses glorifizierten Binnensees. Eine türkische Einmischung zugunsten Aserbaidschans fürchtet Rußland auch als Hindernis bei der Lösung des Karabach-Konfliktes zwischen den beiden GUS-Staten Aserbaidschan und Armenien. Schon längst haben die Armenier ihr Gesicht dem Iran als quasi natürlichen Verbündeten zugewandt. Dessen Zustimmung käme dem Kreml mehr als gelegen, wenn er sich demnächst die internationale Zustimmung dafür einholt, seine Militärs in und um Karabach als „Friedenstruppe“ einzusetzen. Mit einer solchen Entscheidung würde die Nato wenigstens aus diesem traditionellen russischen Einflußgebiet herausgehalten. Barbara Kerneck
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