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Von Köpenick läßt grüßen

■ In Bremerhaven trimmt man ein trockenes „Preußischen Märchen“ zur schrillen Mixtur aus postmodernen Ingredienzen

Besser ein schwaches Stück in einer guten Inszenierung als umgekehrt, bekennt ein erfahrener Besucher des Bremerhavener Stadttheaters nach der Weinachtspremiere. Boris Blachers heute selten gespielte Ballett-Oper „Preußisches Märchen“ haben Wolfgang Lachnitz (Regie) und Dieter Bode (Bühnenbild) in ein temporeiches, buntes Comedy-Theater verwandelt. Die Geschichte nach Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ spießt satirisch preußischen Untertanengeist auf. Aber was bei der Berliner Uraufführung 1952 noch als Auseinandersetzung mit einer deutschen Untugend begriffen werden konnte, ist 40 Jahre später vor allem Stoff für eine leicht schrille, fein durchgearbeitete Slapstick-Show, die das gesamte Ensemble – TänzerInnen wie SängerInnen – in Bewegung hält.

Im Schatten einer überlebensgroßen Wilhelm II.-Büste lernt der kleine Stadtkassenschreiber Wilhelm Fadenkreuz (Thomas Mayr) die Macht der Uniform schätzen. Im Hauptmannsrock befiehlt er einem Trupp Soldaten, die Stadtkasse zu überfallen, aus der er gerade entlassen worden ist. Obwohl er enttarnt wird, geschieht ihm nichts Böses, im Gegenteil, die Sache ist für die beteiligten städtischen Honoratioren so peinlich, daß die Frau des Bürgermeisters zum Vertuschen rät. Wilhelm bekommt seinen Posten zurück, und im großen Finale singen alle zusammen: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“

Im „Preußischen Märchen“ gibt es keine Individuen, nur hölzerne Typen, weder Schmerz noch echte Gefühle. Nur der Gelegenheitsdichter und Assessor Birkhahn – von Michael Putsch mit viel komödiantischem Talent fast besser gespielt als gesungen – darf ein einziges Mal mit einem lyrischen Part aus der Rolle fallen. Blacher verzichtet auf Belcanto, auf eingängige Melodien, er mixt und recyclet wie ein guter Postmoderner konventionelle Formen aus dem Opern-Repertoire, Jazz-Elementen und Tanzmusikweisen der 20er Jahre. Mit starkem Bläsersatz macht er die Paradeseligkeit der wilhelminischen Gesellschaft zum allgegenwärtigen musikalischen Leitprinzip.

Da der Spannungsbogen dieser kühlen, parodistisch angelegten Musik eine zweieinhalbstündige Oper kaum tragen kann, entscheidet der Wirbel auf der Bühne über die Durchschlagskraft der Inszenierung. Die ist nicht bissig-scharf, aber stets lebendig. Lachnitt schnitzt vor allem die Mitglieder der Familie Fadenkreuz zu grotesken Typen zurecht. Die Geschlechtsumwandlung der Eltern mag zu Blachers Zeiten provozierend gewesen sein, heute ist sie ein Ulk, den Werner Hasselmann als gewaltig schaukelnde Matrone und Renate Priebe als uralter Vater-Clown bestens bedienen. Umwerfend komisch agiert auch Minako Futori als altjüngferliche Tochter Auguste, die den aufgeblasenen Faun Birkhahn mit allen Mitteln in die Ehe treiben will.

Chor und Ensemble zeigen sich im „Preußischen Märchen“ so ausgelassen und spielfreudig wie selten. Ballettchef Ricardo Fernando und seine Sodaten parodierenden TänzerInnen haben das gesamte Haus unter Strom gesetzt. Wolfgang Lachnitt hat die Oper als Stummfilm inszeniert, als Chaplinade, die Musik (die Leo Plettner souverän dirigiert) tatsächlich vergessen.

Hans Happel

Weitere Aufführungen: Bremerhaven, Großes Haus: 2., 12., 18. Januar, jeweils 20 Uhr

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