: Privatdetektiv jagt Flüchtlinge
■ Die Regierung von Oberbayern heuert Sicherheits- dienst zur Überwachung von Asylbewerbern an
Berlin (taz) – Wenn es um Asylbewerber geht, scheut man in Bayern keine Kosten und Mühen. Selbst Privatdetektive werden engagiert, um Flüchtlinge zu überwachen und zu bespitzeln. Nach Recherchen der taz hat der Leiter des Erstaufnahmeheims in Landsberg am Lech die Wachschutzfirma „BWS Sicherheitsdienst“ beauftragt, Schwarzarbeiter unter den Asylbewerbern auszuschnüffeln. Bezahlt werden die Dienste der BWS von der Regierung des Bezirks Oberbayern.
Am 3. November 1995 wartet Thaddäus Chmiel vor dem Erstaufnahmeheim in der ehemaligen Ritter-von-Leb-Kaserne. Er ist Chef der BWS mit hundert Wachleuten und Detektiven. Es ist fünf Uhr morgens. Chmiel soll potentielle Schwarzarbeiter verfolgen, ihre Namen und die der Arbeitgeber feststellen. Chmiels Auftraggeber: Rolf Cavelius, Leiter des Heims, in dem rund 450 Flüchtlinge untergebracht sind. Träger der Einrichtung: die Regierung von Oberbayern. „So eine Aktion“, sagt Chmiel, „wird regelmäßig jedes zweite Halbjahr durchgeführt.“
Heimleiter Cavelius bestätigt, Chmiel gebeten zu haben, „die Sache zu überprüfen“. Dies sei „im Rahmen der normalen Dienstleistungen“ der BWS geschehen. Wenn Chmiel auch außerhalb des Heimgeländes „tätig werde“, so Cavelius, „sei dies seine Privatsache“. Dazu Chmiel: „Wir haben das unbürokratisch geregelt.“
Die „normale Dienstleistung“ der BWS besteht aus der Arbeit von zehn Wachschützern, die rund um die Uhr im Flüchtlingsheim im Einsatz sind. Rund 1.000 Berichte im Quartal erstellen sie für Cavelius. Unter anderem notieren sie akribisch, welcher Flüchtling wann das Haus verläßt und wann er zurückkehrt.
Abgerechnet werden alle Dienstleistungen der BWS über das Sachgebiet „Bearbeitung des Flüchtlingswesens“ der Regierung von Oberbayern, Kostenstelle 630. Für seine Dienste kassiert der Sicherheitsdienst den üblichen Satz von 23 Mark pro Mann und Stunde, das sind rund 80.000 Mark im Monat.
Karl Stadlmayr, Sprecher der Regierung von Oberbayern, bestätigt, daß der Wachschutz den Auftrag habe, die Ausgehzeiten der Flüchtlinge festzuhalten, um potentielle Schwarzarbeiter dingfest zu machen. Stadlmayr bestreitet allerdings, daß die Regierung auch die Anweisung erteilt habe, potentielle Schwarzarbeiter unter den Asylbewerbern außerhalb des Heimgeländes auszuspionieren. „Ein Exzeß, den der Chef des Bewachungsunternehmens ausschließlich allein zu vertreten hat.“ Doch nach Angaben von Chmiel sind auch in München und Nürnberg Wachschützer in Erstaufnahmelagern von Asylbewerbern beschäftigt. Er schließt ähnliche Überwachungsmethoden nicht aus.
Theodor Gavras, Vorsitzender des Münchener Ausländerbeirats: „Allmächtiger Gott!“ Was Cavelius da mache, sei „nicht korrekt im Sinne des Gesetzes. Ich glaube nicht, daß die Regierung von Oberbayern sich den Luxus erlauben darf, Asylbewerber zu bespitzeln.“ Helmut Kuhn/Bascha Mika
Reportage Seite 11
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