: Sechs Monate Haft, weil sie abgetrieben hat
■ In Spanien gibt es weder soziale Indikation noch Fristenregelung. Ein Gericht verurteilt alleinstehende Mutter, die einen Abbruch in Portugal vornehmen ließ
Madrid (taz) – „Sechs Monate und ein Tag“ lautet das Urteil der Audiencia Nacional – des obersten Gerichtes – gegen Maria Concepción F.B. Das Delikt der jungen Spanierin: Sie hatte im Sommer 1992 im Nachbarland Portugal abgetrieben. „Aus sozialen Gründen“, verteidigte sich die alleinstehende Mutter eines siebenjährigen Sohnes. Ohne Arbeit und Einkommen wußte sie sich nicht anders zu helfen.
Richter Angel Calderón blieb hart. Das spanische Gesetz aus dem Jahr 1985 sieht nur drei Indikationen vor: Gefahr für psychische oder physische Gesundheit der Mutter, Mißbildung des Embryos und nach einer Vergewaltigung. Soziale Notlagen sind nicht vorgesehen. Das Gericht stellte einmal mehr das „Recht auf Leben des Fötus“ über die Rechte der Mutter.
Die in der Grenzregion Galicien lebende Maria Concepción war nach Portugal gegangen, um dort abtreiben zu lassen. Zwei Tage später, nach ihrer Rückkehr, überfielen sie starke Schmerzen im Unterleib. Die Ärzte im Provinzkrankenhaus in La Coruña diagnostizierten einen Durchbruch des Uterus, das Ergebnis eines stümperhaften Eingriffes. Einmal aktenkundig, nahm der Fall seinen Lauf bis vor das Hohe Gericht in Madrid. Maria Concepción ist damit das erste Opfer der ablehnenden Haltung der Opposition gegenüber einer Fristenregelung bei der Abtreibung.
Teure Abbrüche in Privatkliniken
Im Sommer vergangenen Jahres brachte die sozialistische Regierung von Felipe González ein Gesetz auf den Weg, das den Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten freigeben soll. Obwohl es im Parlament mit den Stimmen der Sozialistischen Partei (PSOE) und der Vereinigten Linken (IU) angenommen wurde, scheiterte es im Senat. In der zweiten Kammer des Parlaments, die als Regionalvertretung organisiert ist, hat die Oppositionspartei Partido Popular (PP) zusammen mit den konservativen baskischen und katalanischen Nationalisten die Mehrheit.
Das Thema Abtreibung wird nach dem Urteil gegen Maria Concepción einmal mehr den Wahlkampf für die Parlamentswahlen im März bestimmen. Die Vereinigte Linke ist die einzige Partei, die seit jeher das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in dieser Frage verteidigt. Die Sozialisten müssen sich fragen lassen, warum sie die Reform des Abtreibungsparagraphen erst jetzt angegangen sind, wo das Ende ihrer Regierungszeit in Sicht ist und die Regierung González ihre absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments verloren hat. Die Antwort liegt auf der Hand: Im katholischen Spanien ist kein Thema so umstritten wie das des Schwangerschaftsabbruchs – die Partei fürchtete um die Stimmen der Gläubigen.
Mangels sozialer Indikation berufen sich die Frauen bei 98 Prozent der jährlich 45.000 Schwangerschaftsabbrüche auf eine Gefährdung ihrer seelischen Gesundheit. Mit einem entsprechenden psychiatrischen Gutachten können sie dann den Eingriff vornehmen lassen. 90 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden in Privatkliniken durchgeführt. Der Preis dafür liegt zwischen 600 und 2.000 Mark. In den meisten öffentlichen Kliniken weigern sich die Ärzte unter Berufung auf ihr Gewissen. Reiner Wandler
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