: Ruinenkataster der Bildungspolitik
■ Grüne: Landesbank-Anteile für Stadtreperatur verkaufen / Noch kein Geld für Schul-Sanierung
In der Bildungsbehörde kursiert eine Liste, die bauliche Mängel und dringende Instandsetzungsbedarfe auflistet, „Ruinenkataster“ im internen Sprachgebrauch. 95 Millionen Mark stehen unter dem Strich – Geld, das dringend ausgegeben werden müßte, damit Bremens Schulen nicht zu Ruinen werden. Im Etat ist es aber nicht vorhanden.
Aus dem Nähkästchen dieser Bildungs-Not plauderte gestern der bildungspolitische Sprecher der Bremer Grünen, Helmut Zachau. Sein Beispiel: der Bremer Westen. Dort kennt er sich aus, dort war er Berufsschulleiter, bevor er für die Grünen in die Bürgerschaft zog.
Zugesagt, so berichtet Zachau, sind im Bremer Westen: die Sanierung der Gesamtschule West, in Oslebshausen der Neubau einer SEK-I-Schule und einer Grundschule (Tirpitz-Kaserne), für Findorff der Neubau einer Grundschule sowie von Kitas als Bestandteil der Neubau-Vorhaben Weidedamm I-III. Für die Sonderschule Am Wandrahm bedarf es außerdem größerer Sanierungs-Maßnahmen, wenn die Integration der Lernbehinderten wie beschlossen abgebrochen wird und dort der Unterricht weitergehen soll. Alle diese Projekte sind dringend, „keines befindet sich in einer solchen Phase der Realisierung, daß konkrete Zeitspannen der Umsetzung absehbar sind“, so Zachau. Die Misere hat Folgewirkungen, die andere Schulen mit hineinziehen. Zum Beispiel kamen 15 Prozent der SchülerInnen der Gesamtschule West früher aus Findorff. Seitdem die GSW ins Gerede gekommen ist, wird sie kaum noch überregional angewählt. Für die Findorffer Schüler ist dort aber kein zusätzlicher Platz geschaffen worden. Und für die bisherigen Weidedamm-Neubaugebiete (1.200 Wohneinheiten) ist an Infrastruktur rein gar nichts geschaffen worden.
Mit dem Bildungsetat ist derzeit nicht mehr zu machen. Schon 1995 wurde fast das gesamte Geld, das für 1996 zur Verfügung steht, ausgegeben. Daß in Arsten Süd-West jetzt neue Grundschulräume gebaut werden können, beruht auf einem Finanzierungstrick: Haushaltsgeld von 1998 soll 1996 ausgegeben werden. „Da bewegt sich nichts mehr“, befürchtet Zachau.
Es sei denn, es gibt Geld außerhalb des normalen Etats. Schon die Ampelkoalition hatte 1994 einen Fonds „Stadtreperatur“ debattiert, in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD findet er sich wieder, 100 Millionen Mark im Jahr. Doch bisher gibt es großen Streit, was aus diesem Topf finanziert werden soll, auf eine Milliarde summieren sich die Anmeldungen. „Da haben alle auf die Liste geschrieben, was sie schon immer haben wollten“, spottet Grünen-Finanzpolitiker Dieter Mützelburg, bis hin zu Polizeiwachen und Straßenbau. Doch eingezahlt wurde in den Topf bisher kein Pfennig.
Damit die dringende Stadtreperatur nicht wegen „Planungschaos“ weiter auf die lange Bank geschoben wird, machten die Grünen zwei konkrete Vorschläge: Nicht die verschiedenen betroffenen Behörden sollen das Geld verwalten, sondern eine GmbH, etwa die „Bremische“. Von den benötigten 400 Millionen Mark könnte die Bremische, so kalkuliert Mützelburg, 100 Millionen selbst aufnehmen, kurzfristig sogar. Ein neuer „Schattenhaushalt“ wäre das, aber ein sinnvoller. Die Bremische könnte so sofort anfangen mit der „Stadtreperatur“. 200 Millionen Mark könnten hereingespielt werden durch Verkauf der bremischen Anteile an der Landesbank, denkt Mützelburg. K.W.
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