piwik no script img

Wand und BodenVermittlung von Unbekannt zu Unbekannt

■ Kunst in Berlin jetzt: Bernd Koberling, M. K. Kähne, Gusztav Hamos, Jozef Legrand, Caterina Würthle

Wenn man derzeit wie ein hartgefrorener Kiesel in die rettenden Galerien plumpst, dann erwärmt man sich vor den Aquarellzeichnungen von Bernd Koberling in der Galerie Springer in ganz besonderer Weise. Bernd Koberling, am 4. November 1938 in Berlin geboren, lebt, wie der Katalog lapidar besagt, in Berlin und Island. Und so zeigen seine Aquarelle Nester blühender Moose, Hexenkreise kleinster, kümmerlichster und zugleich kostbarster Blüten eines nordischen Sommers, den auch wir – nach diesem Winter bescheidener geworden – ohne weiteres Sommer nennen würden. Koberling, Professor an der HdK, hat die Serie „Lodmundarfjördur“ betitelt, nach dem Fjord, an dem er fischen geht. Dabei hat man bekanntlich Muße, und so schaut der Künstler in der Aufsicht auf den Boden und entdeckt dort den sternförmig sich ausdehnenden, zart blühenden Bewuchs. Seine locker skizzierten Notizen besitzen die Aura der Lebendigkeit und der Frische eines pflanzlichen Mutwillens, der so dokumentiert ist, daß er sich manchmal wie eine Landschaftskartographie liest. Die Großformate im Eingangsbereich, Öl, Schwarz in Schwarz, mit wenigen Spuren kräftig-bunter bis giftig-bunter Farbe, wiegen dagegen schwer.

Bis 10. 2., Mo.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr, Fasanenstraße 13

Mit einem Waldgang, mithin Naturbetrachtung wartet auch Jozef Legrand im Foyer des Podewil auf. Seine Videoprojektion, die nichts anderes zeigt als eine Kamerasequenz der langen Weile und Wege im Dickicht des Unterholzes, ergänzt Legrand um drei Mikrofilmlesegeräte. Der Besucher erkennt bunte Schemen von Menschen, die ihm sagen, was sie hassen und was sie lieben. Alle Frauen, kleine Jungs, Autos und die eigene Boutique werden geliebt; fette Politiker, Drogen, im Bett mit dem kleinen Bruder zu schlafen und die Eltern werden gehaßt. Seine Vermittlung von Unbekannt zu Unbekannt nennt Legrand „Kollektive Fiktionen“.

Gusztav Hamos legt zehn Monitore auf den Rücken, daß der Bildschirm nach oben strahlt. Wenn er strahlt. Einen Tag vor meinen Besuch wurde nach Auskunft der Dame an der Information die Videokamera gestohlen, die für die Rückkopplung der Bilder notwendig ist. Falls sie wieder ersetzt wird, sollte die Besucherin auf den Bildschirmen eine brennende Kerze erblicken. Neben jedem Monitor ist ein Lautsprecher und eben eine solche Kerze angebracht. Die akustischen Wellen eines chinesischen Trommelwirbels lassen ihre Flamme flackern. Die Rückkopplung muß eine Ungleichzeitigkeit zur Folge haben. Ist sie wahrnehmbar? Was besagt sie über die Wahrnehmung von Original und Reproduktion? Wenigstens das Konzept hinter der Installation läßt sich herleiten – was allerdings um so schlimmer für die nicht vorhandenen Tatsachen ist.

Bis 29. 1., Mo.–Fr. 10–22 Uhr, Klosterstraße 68-70

Bei M. K. Kähnes „Der Springbrunnen im Garten“ in der Galerie Johannes Zielke tendiert die Installation zum Projektvorschlag für eine Performance. Schwarze Linien auf dem Boden, mit Buchstaben und Nummern sowie Kreis- und Halbkreissegmenten versehen, erinnern an die Markierungen, die Schauspielern helfen, ihre Gänge korrekt auszuführen. Anstelle der Schauspieler plazierte der in Vilnius geborene Künstler, der in Moskau und Berlin aufwuchs, drei „Alter ego“- Gipsfiguren im Raum. In dunkle Anzüge gekleidet, kniet eine der Figuren auf dem Boden, während zwei andere einen Hebeakt vollführen. Ein sorgsam genähter Schlauch aus feinem hellem Wildleder verbindet die Männer in Schwarz. Welchen Honig der Erkenntnis saugen die Junggesellen aus dieser Maschine ohne Anschluß?

Kleine Wandkästen zeigen Fotos des Springbrunnens im Garten. Die Glasabdeckung ist wiederum mit Linienkoordinaten versehen. Vorschrift, wie man zu gehen hat, oder Nachschrift, Dokumentationen eines schon gegangenen Wegs? In einer Vitrine weist der Zeigefinger am Ende eines Gipsarms auf zwei gipserne Beine, die am Knie enden. Er trägt eine Wildlederhalterung, von der aus Schnüre in den Fuß des einen und in die Wade des anderen Beins führen. In paradoxer perspektivischer Absicht führen sie die Skulptur in die Ebene der Zeichnung zurück. Kähne läßt die Puppen tanzen. An Schnüren, auf Linien, antigrave insofern, als das lineare Konzept den skulpturalen Eindruck der Installation negiert.

Bis 27. 1., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr, Gipsstraße 7

Noch einmal zur Kälte: Es gibt eine Alternative zu Island. Siros, auch eine Insel, die im warmen Mittelmeer schaukelt. Dort zieht sich zurück, wer beschloß, Aristokrat zu werden, berichtet Caterina Würthle in „My husband and I“ bei Contemporary Fine Arts. Caterinas Ehemann ist Michel Würthle, als Wirt des „Exils“ und der „Paris Bar“ bekannt. Aristokrat zu sein, schildert Caterina Würthle als angenehme Lebensform, man hat zwar kein Geld, aber ein ererbtes Haus, Glück im Spiel, und vor allem hat man viele, viele Freunde. Diese sind meistens Maler, was mehr ein ansteckender Virus als ein Beruf zu sein scheint. So begann auch Caterina zu malen: zuerst Hunde, genauer „Holger auf dem Weg zum Einstellungsgespräch“, schließlich ihre Freunde und sich selbst als Sumo-Ringerin. „Holger“ geht auf eine Idee von Martin Kippenberger zurück, der seine Freunde aufforderte, Kafkas „Amerika“ bildlich weiterzuerzählen. Caterina Würthles Hunde sind an die englische Tiermalerei angelehnt, während ihre Freundschaftsbilder den Duktus der braven Sonntagsmalerei pflegen und in der peniblen Pinselei ihren weiß Gott treffenden Witz entfalten. Mein Lieblingsbild zeigt Ben Gazzara, Bruno Brunnet und Caterinas Ehemann in der Paris Bar. Michel Würthle, „still very handsome“ (C.W.), stellt im vorderen Raum seine Selbst-Hommage „Bonjour Monsieur Teste“ aus.

Bis 27. 1., Di.–Fr. 12–18, Sa. 11–15 Uhr, Tauroggener Str.15 Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen