: US-Rechte sucht moralischen Boden
■ Nach drei Wochen Teilschließung der US-Regierung sind die Republikaner zerstritten und unbeliebt. Nach Bob Dole gibt nun auch Newt Gingrich nach - die Bundesangestellten sollen zurück an die Arbeit
Washington (wps/taz) – Auch Politiker lernen dazu. „Wir wollten nicht, daß die Bundesangestellten als Geisel genommen werden“, entschuldigte sich Newt Gingrich, Führer der Republikaner im US- Repräsentantenhaus. „Als ehemaliger Soldat finde ich es unmoralisch und unvertretbar, Bundesmitarbeiter nicht zu bezahlen.“ Und ebenso plötzlich, wie auf sein Betreiben im Dezember die Teilschließung der US-Bundesregierung begonnen hatte, leitete Gingrich jetzt den Rückzug ein.
Dem Repräsentantenhaus lagen gestern abend drei Abstimmungsentwürfe vor. Der eine, von der Minderheitsfraktion der Demokraten eingereicht und somit chancenlos, beschließt die sofortige Wiederöffnung aller geschlossenen Regierungsabteilungen. Der zweite, vorgeschlagen von Gingrich, läßt alle Bundesangestellten wieder mit vollem Gehalt arbeiten, stellt aber die Gesamtfinanzierung nur in den öffentlichkeitswirksamsten Bereichen wie Paßausstellung, Kriegsrenten, Arbeitsämter oder Nationalparks wieder her. In anderen Bereichen wie Wohnungsbau, wo die Wirkungen einer Finanzsperre weniger sichtbar sind, sollen die Angestellten zwar arbeiten, aber nicht zeichnungsberechtigt sein – Gingrichs letztes Faustpfand gegenüber Clinton. Als drittes haben radikale Republikaner, die Gingrichs Umschwung nicht nachvollziehen wollen, einen Entwurf vorgelegt, der alles beim alten läßt: Die Behörden werden erst wieder geöffnet, wenn Clinton vorher bei den Haushaltsverhandlungen einknickt.
Gingrichs Wende war nach drei Wochen Behördenschließung zwingend. Neuesten Meinungsumfragen zufolge waren zuletzt 74 Prozent der Befragten infolge der Krise mit den Republikanern unzufrieden. In den täglichen Gipfeltreffen der zu Ende gehenden Woche ließ Clinton seine Gegner auflaufen: Er bat zu immer neuen Gesprächen, machte aber keine Zugeständnisse und schaute zu, wie die Republikaner zum öffentlichen Buhmann wurden. „Wir dachten immer, der Präsident würde etwas auf den Tisch legen“, berichtete der republikanische Unterhändler und Haushaltsexperte Jim Kolbe. „Daß er gar nicht verhandeln würde, hätten wir nie gedacht.“
Es war der gewiefte Taktiker Bob Dole, der das als erster erkannte. So ließ er den Senat am Dienstag die Wiederöffnung der Bundesbehörden beschließen, um die unpopuläre Schließung aus der Welt zu schaffen und von der Frage des Staatshaushalts zu trennen. Zur Begründung erfand er die auf neokonservative Geister gemünzte Formulierung, es sei falsch, Leute für nichtgeleistete Arbeit zu bezahlen – die Bundesangestellten haben nämlich ein Recht auf Nachzahlung ihrer Gehälter für die Zeit der Schließung. Gingrich lehnte Doles Vorstoß ab, hatte aber keine Alternative anzubieten. Bis tief in die Nacht stritt sich dann am Donnerstag die republikanische Führung. Um 23 Uhr produzierte Gingrich seinen Kompromiß.
„Nun stehen wir wieder auf festem moralischem Boden“, sagte erleichtert der Abgeordnete Rick Lazio, Republikaner im Haushaltsausschuß. Doch die republikanische Strategie, Clinton mit der Schließung des Staates zu Konzessionen zu zwingen, liegt nun in Scherben. D. J.
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