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Käfige gegen den Heiligen Geist

■ K3 auf Kampnagel: Die Kunst-Stipendiaten des letzten Jahres stellen ihre geförderte Kunstproduktion vor

Eine riesige Giraffe steht im Zentrum der Ausstellungshalle K3 auf Kampnagel und blickt etwas traurig auf die Ausstellung der zehn Künstlerinnen und Künstler herab, die 1995 das Hamburg Stipendium erhalten hatten. Denn Jutta Konjers skurriles, 6,50 Meter hohes Stofftier hat um sich herum eine Kunstansammlung, die diesmal ein büschen spröde geraten ist. Da gibt es Künstler, die mit vage sozial argumentierenden Verweigerungshaltungen antreten, wie Christoph Büch. Sein aufgehängter Katalog-Kalender samt unklarer Kunsttheorie auf einem Begleitzettel sind der einzig sichtbare Beweis einer künstlerischen Arbeit, deren Funktionieren mangels Überprüfbarkeit reine Glaubenssache ist.

Auch Claudia Reinhardts Produktion der Zeitschrift Neid kann auf Dauer trotz aller mehrschichtiger Talente die Schere zwischen Simulationskonzept und realem Underground-Artzine nicht überbrücken. Mit Organisation von Parties, Videos, Musik und eben dem Kunstmagazin gehört sie zu jener neuen Generation von Künstlern, die bei all diesen Aktivitäten auf den Begriff Kunst getrost verzichten können. Und die zwei dem Hamburger Publikum gezeigten Fotoarbeiten sind so unverschämt nahe an den Konzepten von Cindy Sherman, daß auch der ausdrückliche Satz „Ich bin keine neue Cindy Sherman“ nicht weiterhilft.

Christoph Rauchs pfiffige Arbeit entdeckt nur der Kenner. Er hat die einzige bewegliche Wand von K3 hinter einer weiteren Wand versteckt. Wo es keine objektiven Kunstkriterien mehr gibt, bleibt dem Künstler die direkte Reaktion auf die Situation vor Ort.

„Sets für den kollektiven Freizeitpark“ zeigt Susanne Weirich. Ihre eingeschweißten Objekte erzwingen aufs feinste mit ungewöhnlichen Verkaufstiteln einen Zusammenhang zwischen disparaten Dingen, die sich der Warensimulation nur bedienen, um eine neue Objektpoesie einzufordern. So ergeben ein Bilderrahmen, eine Tesafilmrolle, Tabletten, ein Schneidemesser und ein Fieberthermometer das „Lost Love Set“.

Ralf Ritter ist der einzige, der so etwas wie Malerei herstellt. Von dicken Knochenleimschichten verbogene und verzerrte Leinwände sind mit ephemeren Zeichnungen tätowiert. Für plastische Konfusionen sorgt dann in typisch Schweizer Vertracktheit Ueli Torgler. Papp- und Styroporschallplatten, eine Modelldemonstration auf jahrzehntealtem Bildschirm: Statt wie früher mit bedeutungsschwerem Beton nähert er sich den Dimensionen des Banalen nun im Material Styropor.

Auf rotem Samttisch steht der Zahnschmuckfetisch von Wolf von Waldow. Dieses seltsame Kunstkammerstückchen ist aus Edelstahl, Glasperlen und echten Zähnen, doch die barock ausufernden Objekte des 33jährigen Künstlers sind sonst meist zusammengesteckte Laubsägearbeiten. Hier zeigt er eine Kirchenkunstparaphrase, eine Klosterruine in Renaissanceformen mit kleinen Geflügelkäfigen. Da kann der sogenannte Heilige Geist eben nicht reinfliegen und die außen herumprozessierenden Heiligen Könige tragen statt christlicher Devotionalien die Grundelemente der Bauhauslehre als andere sakrosankte Verbindlichkeiten: das gelbe Quadrat, den blauen Kreis und das rote Dreieck. Wolf v. Waldow, der sich selbst „Edelbastler“ nennt, vertritt mit seiner Neuformulierung von Ornamenten und Symboliken zwischen manieristischem Zitat, emblematischem Kabinett und Gemütlichkeitsdesign neben Jutta Konjer die originellste Position dieser Ausstellung.

Hajo Schiff

Di-So 16-20 Uhr, bis 28. Januar

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