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Telekom-Panne mit teuren Folgen

■ Unternehmen hat 13 Millionen Mark zuviel abgerechnet, Entschädigung kostet 40 Millionen. Telekom-Chef Sommer kritisiert Politiker und klagt mehr Kundenfreundlichkeit seiner Beschäftigten ein

Berlin (AFP/dpa/AP) – Telekom-Chef Ron Sommer hat am Wochenende den hohen „Imageschaden“ für sein Unternehmen durch die Abrechnungspanne zum Jahreswechsel beklagt. 11 Millionen Telekom-Nutzern waren durch fehlerhafte Computerprogramme zu hohe Gebühren angerechnet worden.

Das sei die bislang „teuerste Nacht“ für die Telekom gewesen, so Sommer. Die Folgekosten seien erheblich höher als der rein rechnerische Schaden von 13 Millionen Mark, sagte Sommer dem Spiegel. Zugleich kritisierte der Vorstandsvorsitzende das Verhalten einiger Politiker, die das neue Tarifsystem der Telekom kritisierten, das sie selbst mit beschlossen hätten.

Sommer kündigte eine Wiedergutmachung für die betroffenen Kunden an. Sie sollen 30 Freieinheiten erhalten – Kosten für die Telekom: 40 Millionen Mark. Der Verband der Postbenutzer kritisierte, ein solcher Ausgleich sei viel zu gering. Die Telekom prüft derweil, ob sie die Softwarefirma Alcatel SEL, die die fehlerhafte Software geliefert hatte, für den Schaden haftbar machen kann.

Sommer verteidigte die neue Tarifstruktur noch einmal vehement. Die Telekom AG müsse in den Bereichen preiswerter werden, in denen sie ab 1998 mit Konkurrenz zu rechnen habe, bei Fern- und Auslandsgespräche. In anderen Bereichen hingegen steigen die Preise. Sommer räumte ein, sein Unternehmen müsse in Sachen Kundenfreundlichkeit „noch Massives tun“. Alle Telefonnutzer sollen am 25. Februar den ganzen Tag zum verbilligten Mondscheintarif telefonieren können. In der Planung ist auch ein „Friends & Family“-Tarif, nach dem der Anruf bei bestimmten Nummern billiger werden könnte.

Zuvor aber gibt es noch weiteren Erklärungsbedarf. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger hat das neue Tarifsystem der Telekom nach einer Forsa- Umfrage nicht voll verstanden. Nur 37 Prozent der Befragten sagten, sie hätten die neue Tarifstruktur durchschaut. 43 Prozent sagten, sie „blickten da nicht durch“. Und nur sieben Prozent der Befragten waren mit der Telekom der Meinung, das neue System sei gerechter als das alte.

Bundestagsabgeordnete versuchten am Wochenende den politischen Schaden der von ihnen mit verantworteten Gebührenreform nun allein auf das Bundespostministerium abzuwälzen. Noch 1996 solle das FDP-geführte Wirtschaftsministerium die Aufgaben des Postministeriums übernehmen, sagte der FDP-Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele (FDP). Auch der SPD-Wirtschaftspolitiker Ernst Schwanhold (SPD) forderte, das Postministerium „bereits in diesem Jahr aufzulösen“.

Die private Konkurrenz der Telekom kündigte unterdessen an,in Leipzig, Duisburg und Gelsenkirchen Pilotversuche für drahtloses Telefon zu starten. Beteiligt sind die Energieversorger WESAG in Leipzig und RWE in Gelsenkirchen sowie Thyssen in Duisburg.

Kommentar Seite 10

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