: Der „Mann mit den sieben Seelen“
■ Jahja Ajasch galt als tiefreligiöser und gutmütiger Mensch. Für die Israelis aber war der Bombenbauer der Hamas eine Bestie
Jahja Ajasch ist mit seinem „Märtyrertod“ endgültig zum palästinensischen Mythos geworden. Eine Legende war er schon zu Lebzeiten. Der Bombenbauer der islamistischen palästinensischen Untergrundorganisation Hamas stand seit 1992 ganz oben auf der Fahndungsliste des israelischen Inlandsgeheimdienstes. „Wir wollen ihn, um jeden Preis, wann, wo und wie auch immer“, so ein Sprecher des früheren israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin. Aber selbst seine israelischen Häscher verhehlten nicht ihre professionelle Hochachtung vor der Arbeit des „Ingenieurs“. Er habe Höllenmaschinen gebaut, die selbst israelische Experten in Staunen versetzt hätten, so ein früherer Chef von Shin Beth.
Der 31jährige Jahja Ajasch, ältester Sohn eines Bauern aus dem Dorf Rafat im Westjordanland, in der Nähe von Ramallah, war tief religiös. Bekannte charakterisierten ihn als gutmütig. An der palästinensischen Universität Bir Zeit im besetzten Westjordanland studierte er Elektrotechnik. In dieser intellektuellen Hochburg des palästinensischen Nationalismus kam er mit Hamas in Kontakt. Er schloß sich dem militärischen Flügel von Hamas, der Ezzedin-al- Qassam-Brigade, an und stellte sein Wissen in deren Dienst. Der Elektroingenieur stattete die islamistischen Selbstmordkommandos mit den explosiven Höllenmaschinen aus. Für die israelischen Behörden war er Drahtzieher von mindestens sieben Selbstmordanschlägen, bei denen seit April 1994 76 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt wurden. Die meisten Todesopfer forderte der spektakuläre Anschlag auf die Buslinie Nr. 5 am 19. Oktober 1994 auf der belebtesten Geschäftsstraße von Tel Aviv: 22 Israelis und der Attentäter kamen damals ums Leben.
Auch der Anschlag vom 22. Januar 1995 in der Küstenstadt Natanja, nördlich von Tel Aviv, wurde dem „Ingenieur“ zugeschrieben. Damals tötete ein mit Nägeln gefüllter Sprengsatz 15 israelische Soldaten. Zuletzt soll Ajasch vor zwei Monaten einen Anschlag veranlaßt haben, bei dem acht Israelis verletzt wurden.
Im April vergangenen Jahres wurde er bereits totgesagt, als ein Sprengsatz in einer geheimen Bombenwerkstatt der Hamas im Gaza-Streifen explodierte und sechs Menschen tötete. Doch die israelischen Sicherheitsbehörden kamen spätestens am 24. Juli 1995 zu dem Schluß, daß Ajasch noch lebte, als ein Selbstmordattentat in einem Bus vor der Diamantenbörse von Ramat Gan sechs Israelis das Leben kostete.
Für die Palästinenser verkörperte Ajasch das romantische Bild vom unbeugsamen Rebellen, der es seinem Gegner mit gleicher Münze heimzahlt: unbeugsam, unbestechlich und kompromißlos. Als Frau oder als Siedler verkleidet, war er seinen Häschern wiederholt entkommen. Doch den „Mann mit den sieben Seelen“ ereilte letztendlich das gleiche Schicksal wie seine zahlreichen Opfer. Georg Baltissen
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