Kein Einfluß auf Wahl

■ Asmi Bishara ist Philosophieprofessor an der palästinensischen Bir-Zeit-Universität

taz: Wie erklären Sie sich das Phänomen, daß 100.000 Palästinenser einen Mann als Märtyrer feiern, der von Israel als „Staatsfeind Nummer eins“ betitelt wurde? Wie steht es um den „Friedensprozeß“ zwischen Palästinensern und Israelis?

Asmi Bishara: Wir sollten zuerst einmal fragen, warum Israel die Aktion zu einem Zeitpunkt durchgeführt hat, an dem es von seiten der Hamas eine Art Anschlags- Moratorium gab. Seit Monaten ist es ruhig. Es gab nur zwei Aktionen: die Ermordung des Führers der militanten Dschihad-Islami- Gruppe Schakaki auf Malta und jetzt den Anschlag auf Ajasch. Beide Morde gehen auf das Konto der Israelis.

Aber die Reaktion auf palästinensischer Seite war doch heftiger als erwartet ...

Ajasch symbolisierte für die palästinensischen Jugendlichen ihre ganze Hoffnung. Er war ein Habenichts, kam vom Dorf und konnte später studieren. Am Ende wurde er sogar von den Israelis als Staatsfeind Nummer eins angesehen. Für die palästinensischen Jugendlichen war es eine Errungenschaft, daß dieser junge, aus armen Verhältnissen stammende Mann zum größten Rivalen Rabins und der israelischen Sicherheitskräfte aufstieg. Für die, die gewohnt sind, Opfer zu sein, war er ein Vorbild. Mit seinen kriminellen Aktionen vermittelte er ihnen das Gefühl, daß sie zurückschlagen können.

Woher kommt diese Frustration in einer Zeit, in der das Oslo-II- Abkommen zügig umgesetzt wird?

Manchmal ist die Frustration gerade damit verbunden, daß Oslo II zügig vorangeht. Für diejenigen, die glauben, daß Oslo II die einzige Alternative darstellt, ist das Abkommen ein Erfolg. Aber jene, die glauben, daß das Abkommen die Palästinenser nur auseinanderbringt und in Ghettos einsperrt, haben keinen Grund zum Optimismus.

Soll das heißen, daß alle, die hinter dem Sarg herliefen, strikte Gegner des Abkommens sind?

Natürlich war es auch das Gefühl, das ich anfangs beschrieben habe. Für viele ist es aber genau die Art und Weise, wie der Friedensprozeß abläuft. Die wirtschaftliche Lage hat sich nicht verbessert, die Menschen genießen nicht mehr Freiheiten. So mancher, der den Friedensprozeß unterstützt, tut das ohnehin nicht aus Enthusiasmus, sondern weil er glaubt, es sei der einzige Weg aus der Misere.

In den letzten Wochen wird viel davon geredet, daß sich Hamas langsam von einer militanten Bewegung in eine politische Partei verwandelt. Wie wird die Ermordung Ajaschs diesen Prozeß beeinflussen?

Hamas war immer eine pragmatische Bewegung. Sie bewertet Oslo II inzwischen als eine politische Realität. Vielleicht wird es zu einigen Anschlägen kommen, am Ende werden ihre Anhänger aber wieder zur Realität zurückkehren.

Wird das Ganze Auswirkungen auf die Wahlen in den palästinensischen Gebieten haben?

Die Oppositionsparteien nehmen nicht an den Wahlen teil. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß ihre Boykottentscheidung ein Fehler war. Jetzt könnte die Opposition die nach dem Anschlag entstandene Situtation ausnützen. Sich außerhalb des politischen Spiels zu stellen war eine Fehlentscheidung. So werden die Wahlen in keinerlei Weise beeinflußt. Interview: Karim El-Gawhary