■ EU und USA müssen das Projekt in Mostar retten: Druck auf Tudjman
Hans Koschnicks Drohung, die Mission der Europäischen Union in Mostar und seinen Job als EU-Administrator vorzeitig zu beenden, kann als Alarmzeichen nicht ernst genug genommen werden. Bereits im Juni 1994 – anderthalb Jahre vor dem Dayton-Abkommen und dem Ende der Belagerung Sarajevos – wurde die Stadt an der Neretva zum europäischen Symbol erklärt, zum Symbol für den Wiederaufbau und die Versöhnung zwischen verfeindeten Volksgruppen. Seitdem ist es zwar mit dem Wiederaufbau erheblich vorangegangen, zumindest auf der kroatischen Seite der Stadt, doch die Versöhnung zwischen Kroaten und Muslimen ist kaum einen Schritt weitergekommen.
Während die Luftbrücke nach Sarejevo, die über dreieinhalb Jahre anhielt und die an die Berlin-Blockade erinnerte, am heutigen Dienstag beendet wird, droht Mostar zum „Nachkriegsberlin auf dem Balkan“ (Koschnick) zu werden. Auch wenn sich nicht feststellen läßt, welche Seite mit den seit Jahresbeginn eskalierenden Gewaltakten begonnen hat, so steht doch fest: Für das bisherige Scheitern des Projekts Mostar ist vor allem die kroatische Seite verantwortlich. Und zwar so eindeutig, daß der eher vorsichtige und auf Zusammenarbeit mit beiden Seiten angewiesene EU-Administrator dieses in der Vergangenheit mehrfach öffentlich gesagt hat. Mit der Erklärung, die Westherzegowina-Kroaten wollten Mostar als „ihre Hauptstadt“, unterstrich der Bürgermeister des kroatischen Stadtteils erst letzte Woche wieder den Widerstand gegen das Zusammenleben mit den bosnischen Muslimen.
Dieser Widerstand wäre nicht möglich ohne Rückendeckung aus Zagreb. Und hier müssen die 15 EU- Regierungen und die Clinton-Administration endlich ansetzen, wenn sie das Projekt Mostar noch retten wollen: mit massivem Druck auf das Tudjman-Regime. Auf dem Spiel steht dabei weit mehr als der Erfolg oder das Scheitern von Hans Koschnick.
Mit Mostar steht und fällt die muslimisch-kroatische Föderation. Bricht die Föderation auseinander, ist auch das Abkommen von Dayton nur noch Makulatur. Einen größeren Gefallen könnten EU und USA dem (Noch-)Serbenführer Karadžić sowie den kroatischen Nationalisten gar nicht tun. Andreas Zumach, Genf
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