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Häftlingsrevolte in der Türkei weitet sich aus

■ Massenfestnahmen bei der Beerdigung von zwei zu Tode geprügelten Gefangenen

Istanbul (taz) – Die Häftlingsrevolten in der Türkei haben sich gestern auf neun weitere Gefängnisse ausgedehnt. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, nahmen in der nordtürkischen Stadt Bartin in der Nacht etwa 20 linksextreme Häftlinge neun Wärter und den Gefängnisdirektor als Geiseln. Am Morgen ließen sie zunächst drei Wärter frei. In anderen Orten traten Gefangene in den Hungerstreik. Klar scheint, daß das harte Vorgehen der Istanbuler Polizei den Aufruhr in den türkischen Gefängnissen weiter schüren wird.

Bei der Beerdigung der beiden politischen Häftlinge Riza Bozbaș und Orhan Özen, die vergangene Woche im Istanbuler Gefängnis Ümraniye zu Tode geprügelten worden waren, kam es zu Massenfestnahmen: Die Istanbuler Polizei hatte weiträumig die religiöse Stätte der Alewiten in Alibeyköy, von wo aus der Beerdigungszug starten sollte, abgeriegelt. Sie nahm jeden, der an der Beerdigung teilnehmen wollte und in die Nähe der Polzei kam, fest: Schätzungen zufolge waren es fast 1.000 Menschen – eine Rekordzahl selbst für türkische Verhältnisse.

Bei Redaktionsschluß befanden sich die Festgenommen, unter ihnen Rechtsanwälte und die Mutter des verstorbenen Riza Bozbaș, in der Sporthalle Eyüp sowie auf einem angrenzenden Fußballfeld. Der Sarg von Bozbaș wurde von der Polizei „entführt“, die ihn klammheimlich beerdigte. In der letzten Woche waren drei politische Häftlinge zu Tode geprügelt sowie 36 verletzt worden, sechs schweben noch in Lebensgefahr. Die Gefangenen verlangen, daß diejenigen, die für die Ausschreitungen des Militärs in der Haftanstalt Ümraniye verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden. Wegen der Situation in den Gefängnissen kam es erneut zu Anschlägen und zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und linksextremistischen Organisationen, bei denen Brandsätze und Schußwaffen eingesetzt wurden.

Unterdessen sind Verhandlungen zwischen dem obersten Leiter der türkischen Strafanstalten Zeki Güngör und den Häftlingen gescheitert. Güngör forderte die Freilassung der Geiseln, während die Häftlinge die Bestrafung der Verantwortlichen und Garantie für Leib und Leben verlangten. „Das Militär hat vergangene Woche das Maß überschritten“, erklärte Güngör und reichte seinen Rücktritt ein. Ömer Erzeren Seiten 9 und 10

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