: Schweiß oder Spray?
■ Urteil im ersten Prozeß im Hamburger Polizeiskandal überraschend verschoben
Kein Urteil, statt dessen erneute Beweisaufnahme. Das Strafverfahren gegen den Polizeibeamten Joachim L., der von seinem ehemaligen Kollegen Uwe Chrobok beschuldigt wird, einen entkleideten Schwarzafrikaner in der Kirchenallee-Wache mit dem Injektizid „Incidur“ besprüht zu haben, wird sich noch einige Zeit hinziehen. Der Verteidiger des Beschuldigten, Walter Wellinghausen, stellte gestern überraschend mehrere „Hilfsbeweisanträge“.
Er bezweifelt, daß ein Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Kronzeugen, das nach Chroboks Aussage am 14. 9. 1994 – unmittelbar nach dem Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann – überhaupt stattgefunden habe. Damals soll L. in der Polizeischule zu Chrobok gesagt haben: „Wenn das mit der Spraydose rauskommt, müssen wir uns warm anziehen.“ Für die Staatsanwaltschaft ein glasklares „Schuldeingeständnis“.
Wellinghausen will nun mit Hilfe von Fahrbereitschafts-, Stundenplänen und Aussagen von KursteilnehmerInnen beweisen, daß sich die beiden Hauptdarsteller des Prozesses an dem besagten Septembertag nicht über den Weg gelaufen sein können. Zudem will Wellinghausen beweisen, daß die von Chrobok registrierten Spraypartikel am Körper des Afrikaners nur „Streßschweiß“ gewesen seien.
Auch die Staatsanwaltschaft will noch mal in die Beweisaufnahme einsteigen und fordert ein dermatologisches Gutachten über die gesundheitlichen Folgen des behaupteten Sprayeinsatzes. Ein Sachverständiger hatte im Verlauf des Prozesses behauptet, ein mit dem Injektizid Eingesprühter könne nur ein „subjektives Juckempfinden“ haben – empfindliche Hautreizungen seien auszuschließen. Eine Einschätzung, die den Vorwurf der „Körperverletzung im Amt“ aushebeln könnte. Marco Carini
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