: Flugzeugabsturz offenbart die Eigenarten Zaires
■ Die Opferzahl der Katastrophe von Kinshasa steigt auf über 350. Das Flugzeug hatte keine Lizenz mehr und wurde angeblich für den Waffenschmuggel genutzt
Berlin (taz) – Der katastrophale Flugzeugabsturz vom Montag, als ein russisches Frachtflugzeug beim Abflug in Zaires Hauptstadt Kinshasa mitten auf einen vollgedrängten Marktplatz fiel und nach jüngsten Schätzungen über 350 Menschen umbrachte, bewegt das Land. Es herrscht Staatstrauer, in Radio und Fernsehen wird getragene Musik gespielt, die Flaggen wehen auf Halbmast. Zu der gestrigen großen Trauerzeremonie kam sogar der zairische Diktator Mobutu Sese Seko, der sich normalerweise nie in der Hauptstadt blicken läßt.
Die Regierung hat den Ndolo- Flugplatz geschlossen, ein Startverbot für alle Frachtflugzeuge verordnet und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet; eine Untersuchungskommission soll die Umstände des Absturzes klären. Schon diese Schritte sind politisch gesehen ein gewaltiger Fortschritt für ein Land, das seit Jahrzehnten diktatorisch regiert wird und kein geordnetes Staatswesen mehr kennt.
Die Maschine hatte auf dem Ndolo-Flugplatz nahe dem Zentrum von Kinshasa nicht richtig abheben können. Sie taumelte daraufhin über die Startbahn hinaus und in den Simbazikita-Markt in einem dichtbesiedelten Viertel der Vier-Millionen-Stadt hinein. Dort kam sie zum Stillstand und explodierte. Auf ihrem Weg hinterließ sie eine Spur der Verwüstung. Hunderte von Verletzten konnten hinterher medizinisch nicht versorgt werden, weil es in den Krankenhäusern der zairischen Hauptstadt keine Medikamente und kaum Erste-Hilfe-Materialien gibt – was die Kliniken von Kinshasa einst hatten, ist in den wiederholten Plünderorgien unkontrollierter Soldaten in den letzten Jahren zerstört oder von privater Hand angeeignet worden. Die vier russischen Besatzungsmitglieder des Flugzeugs, die dem abgestürzten Wrack fast ohne Verletzungen entstiegen, entkamen nur knapp dem Lynchen durch aufgebrachte Zairer und wurden daraufhin verhaftet. Ein fünfter entkam.
Daß ein solches Unglück passieren konnte, spricht Bände über den Zustand Zaires. In dem zentralafrikanischen Staat von der sechseinhalbfachen Größe Deutschlands sind größere Reisen nur noch per Flugzeug möglich – das Straßennetz ist in 30 Jahren Mobutu-Herrschaft so zerfallen, daß es selbst mit einem geländegängigen Fahrzeug mehrere Monate dauert, von einem Ende des Landes zum anderen zu fahren. Die somit unentbehrliche zairische Luftfahrt ist in den Händen mehr oder weniger dubioser Privatfirmen, deren Maschinen sich zumeist in einem ziemlich bedenklichem Zustand befinden. Erst am 18. Dezember war eine aus Zaire kommende Privatmaschine über Angola abgestürzt; alle 141 Menschen an Bord starben.
Das Unglücksflugzeug von Kinshasa war nach Angaben der Behörden überlastet – womit, ist unklar, aber zairische Zeitungen vermuten Waffen für Angolas Unita- Rebellen. Mit zairischen Privatflugzeugen wird auch ein beträchtlicher Anteil des weitverbreiteten Diamantenschmuggels in Zaire und Angola abgewickelt. Nach Berichten der russischen Luftfahrtbehörde gehörte die Maschine vom Typ Antonow-26 früher den „Moskauer Luftlinien“ und war zuletzt von der Firma „Scibe-Zaire“ gechartert. Ihre Lizenz habe sie zum Jahresanfang verloren, der Pilot habe sich daraufhin die Lizenz einer anderen Maschine ausgeliehen.
Nun hat Zaires Transportminister Tambwe Mwanda angekündigt, er wolle „Ordnung“ in das Flugwesen seines Landes bringen. Das wäre eine Premiere. Dominic Johnson
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