: Hafenstraße wird verkauft
■ Bunte Mehrheit in der Bürgerschaft für Verhandlungen / Zweieinhalb Stunden der Versuch, das Gesicht zu wahren
Mit bunter Mehrheit – 20 GAL, sieben STATT und 39 SPD-Stimmen – hat die Hamburger Bürgerschaft gestern abend grünes Licht für Verkaufsverhandlungen um die Häuser an der Hafenstraße gegeben. 49 Abgeordnete von SPD und CDU stimmten gegen den Senatsantrag und damit für eine sofortige Räumung.
Ergebnis einer zweieinhalb-stündigen Debatte, die vor allem von einem Gedanken beseelt gewesen zu sein schien: Wie wahre ich mein Gesicht. Die einen haben jahrelang Nein zu einer Räumung gesagt, nun wollen sie endlich Ja sagen dürfen. Die anderen haben stets und stetig auf einem Rausschmiß der Bewohner beharrt, nun können sie sich plötzlich damit abfinden, sie in ihren Wohnungen zu belassen. So viel Wankelmut mußte begründet werden.
Den Pilatus-Reigen eröffnete SPD-Fraktionsvize Günter Elste mit einem gefühlsschwangeren Bekenntnis: „Es tut mir als Fraktionschef weh, gegen eine Mehrheit in meiner eigenen Fraktion zu stimmen“, aber er müsse trotzdem gegen den vom Senat vorgeschlagenen Verkauf der Häuser votieren, um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. Obschon es auch Gründe für diese Privatisierung gebe, glaube er aber, daß diese eine ungute Entwicklung in der Gesellschaft auslösen werde. „Ich will nicht, daß sich in der Bevölkerung das Gefühl breitmacht, daß man nur lange genug Randale machen muß, um zu bekommen, was man will“, so Elste.
Eine Position, die CDU-Hardcore-Politiker Karl-Heinz Ehlers auf die Palme trieb. Er kippte eimerweise Hohn über Elste und die rechten SPD-Genossen aus: „Das Waschmittel, das Ihre Weste wieder weiß macht, gibt es nicht, Herr Elste“. Aber auch er mußte weit ausholen, um nach 15 Jahren beinhartem Räumungskurs nun auf den Pfad seines neuen Fraktionsvorsitzenden Ole von Beust einzuschwenken: Verkauf ja, aber nur unter knallharten Bedingungen. Immerhin: Selbst Ehlers mußte zugeben, daß die Bewohner sich heute zumindest so friedvoll verhalten, daß es derzeit schwer möglich wäre, sie kurzfristig aus ihren Häusern zu schmeißen.
Die von Beust gesetzten Bedingungen – Verkauf spätestens bis 31. März, Verzicht auf jede weitere Subventionierung – fanden bei der Abstimmung keine Mehrheit. Die CDU stimmte deshalb traditionsgemäß erneut für Räumung.
Ganz leichten Herzens wich nur die GAL von ihrem sonst im Rathaus üblichen Oppositionskurs ab. Fraktionschef Willfried Maier meldete Senatschef Henning Voscherau (schwieg während der gesamten Debatte) erfreut: Sämtliche 20 GAL-Abgeordnete stehen geschlossen hinter dem Senatsantrag. Fraktionskollegin Susanne Uhl zeigte sich „erleichtert“ über den neuen Kurs des Senats, mahnte allerdings an, daß die Verkaufsverhandlungen möglichst mit der Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße geführt werden.
Ob sie sich damit durchsetzen kann, dürfte allerdings noch fraglich sein. Trotz der knappen Mehrheit für die Verhandlungen zeigte sich in zahlreichen Reden von Sozialdemokraten und derjenigen des STATT-Fraktionschefs Achim Reichert (“Investor soll Sanierung selber tragen“), daß die gestrige Abstimmung über die Hafenstraße nicht unbedingt die allerletzte gewesen ist.
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