: Eine modische Ehe
■ Das Ensemble Integrales vermischt Jazz und Neue Musik
Der Grenzbereich zwischen Neuer Musik und Jazz gehört zur Zeit offensichtlich zum Lieblings-terrain zeitgenössischer Musiker. Besonders nahe liegt diese Vorliebe natürlich, wenn zur Besetzung ein Saxophon gehört – oder wie beim dreiköpfigen Ensemble Integrales zu Saxophon und Violine noch eine Marimba hinzukommt.
Der Jazz zeigte sich im jüngsten Konzert des Ensembles in der Opera stabile vor allem in Maki Ishiis Alternation I und in Luciano Berios Sequenza IXb: Hier erzeugte der Wechsel von einzelnen gehaltenen Tönen, heftigen, jazzigen Melodiefragmenten und Tonleitervariationen bei eher konventioneller Spielweise eine fortdauernde Spannung zwischen den einzelnen Elementen. Dagegen klangen Geräusche wie stummes Klappernschlagen, Getrampel oder die Imitation von Gänsegeschnatter im wilden, teilweise improvisierten Spiel bei Ishii etwas aufgesetzt.
In Gunter Schullers Phantasmata verschmolzen Violine und Marimba in gleichberechtigtem Zusammenspiel, in dessen leiseren, fragilen Passagen eine seltsam entrückte Stimmung entstand. Pure Technik hingegen demonstrierte das ironischerweise als Tanz betitelte Violinsolo, das Integrales-Saxophonist Burkhard Friedrich komponierte. Spiel an den Saitenenden, Schlagen mit dem Stil des Bogens, ein Kaleidoskop von kaum Hörbarem: nur selten so intensiv, daß wirklich Musik entstand.
Höhepunkte des Konzerts waren die Tierkreis-Stücke von Stockhausen und Alvoro Carlevaros Rondo, in denen die Pianistin Gabriele Wulff das Ensemble unterstützte. Die Kombination von Melodiereichtum und unterschiedlichen Spielweisen bei Stockhausen und die spannend-irritierende Schichtung von Einzeltönen, Trillern und Melodiesprengseln lösten den Anspruch ein, „Klischees von zeitgenössischer Musik“, wie „anstrengend und disharmonisch“, zu widersprechen. Niels Grevsen
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