: Deko mit unvermitteltem Tiefgang
■ Drei verschlüsselte Videoinstallationen von Ulrike Rosenbach im Weißen Raum
Mit Pfeil und Bogen auf die Madonna schießen: Spätestens seit dieser Performance galt Ulrike Rosenbach als die wichtigste erklärt feministische Künstlerin aus dem Kreis um Joseph Beuys. Mit linkem Engagement und medialer Befragung der Frauenrolle besetzte sie mit ihren Video-Performances in den frühen Siebzigern ein eigenes Kunstsegment. Der Weiße Raum zeigt jetzt drei Videoinstallationen der Künstlerin, die inzwischen eine Etikettierung als „feministische Künstlerin“ nicht mehr zeitgemäß findet.
Im Video der Installation „Schmelzprozesse“ greift eine stark verzerrte Hand nach der Sonne. Tatsächlich liegt die Hand auf einer reflektierenden Messingscheibe. Wie oft bei Ulrike Rosenbach muß der Zusammenhang über den Wissenshintergrund erschlossen werden, denn die Metallplatte ist nicht erkennbar und eine lichtreflektierende runde Form, zumal im „kalten“ Medium Fernsehen, läßt eher an den Mond denken.
Dazu kommt das inszenierte Umfeld: Goldgelbe, an Zweigen befestigte Bänder hängen von der Decke, und an der Wand befinden sich Schatten von Flügelwesen. Ohne tiefen Rückgriff auf mythisches Wissen bleibt dies alles ziemlich Deko. „Die Betrachter können nur soviel von Kunst begreifen, wie sie selbst wissen“, meint die Künstlerin. Eingeweihte erkennen in den Schattenrissen an der Wand also den Genius aus einem Fresko in der Villa dei Misteri in Pompeji. Es ist die Mittlerin des Dionysos-Rituals, das Ulrike Rosenbach im Sinne der tantrischen Extase deutet.
Eingeweihte wissen ferner, daß noch vor dem Bau der klassischen Tempel farbige Bänder, die Tennien, rituelle Plätze ausgrenzten und sich die Griechinnen zu kultischen Festen in heilige Haine zurückzogen. Die Installation bietet so einen Kunstort für ein Ritual, zu dessen Teilhabe schon bloßes Gucken nicht genügt.
Direkter wirkt dagegen das „Requiem für eine Eiche“ von 1993/94. Ästegleiche Eichenwurzeln, die sich als Schatten auf vorgehängten Seidenpapieren abzeichnen, bilden den Sockel für einen Monitor, in dem eine Flamme zu sehen ist. Dies ermunterte eine Hamburger Kritikerin in der Szene zu dem Satz: „Der symbolische Gehalt der Materialien wirkt unmittelbar und macht eine Erklärung entbehrlich“. Hier scheint in vornehmer Zurückhaltung die überevidente Eindeutigkeit der Installation angesprochen, die nur für sich und ohne Reflexion auf Eichen-Mythos und Licht-Mystik schlicht als Öko-Kitsch bezeichnet werden könnte.
Hier Direktheit, dort Geheimnis, beide Arbeiten bezeichnen die Eckpunkte von Ulrike Rosenbachs Kunstverständnis zwischen politischem Anspruch und weiblicher Kulturgeschichte. Thematisch und zeitlich in der Mitte steht dann „Ein Moment aus dem Leben des chinesischen Malers Hu Em Ey“ von 1989 (ein Wortspiel mit „who am I“). Es ist eine dem Zen-Buddhismus verpflichtete Selbstbefragung, in der weiße Tücher zwei Monitore mit Porträts der Künstlerin verbinden und sich in einer Schale mit dunkler Flüssigkeit treffen. Der Kritiker wünscht sich, darin nicht Blut, sondern Tinte zu sehen.
Hajo Schiff
Weißer Raum, Admiralitätstr. 71, Mi-Fr 12-18, Sa 12-15 Uhr, bis 29. April
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen