: Berliner Koalitionäre der Schlußverkäufer
■ Christdemokraten und SPD legen Koalitionsvereinbarung mit unverbindlichen „Leitlinien“ vor. Ein Ausverkauf von Landesvermögen soll den Haushalt sanieren
Berlin (taz) – Knapp drei Monate sind seit der Wahl des Abgeordnetenhauses vergangen, und nun haben sich beide Parteien auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, dessen Auszüge gestern auf Grund ihrer vagen Formulierung für Enttäuschung sorgten.
Konkret konnten sich die Regierungsparteien nur darauf einigen, für eine Länderfusion von Berlin und Brandenburg im Jahr 1999 zu werben. Die Berliner und Brandenburger Bevölkerung stimmen am 5. Mai getrennt über die Länderehe ab. Auch soll 1999 die Zahl der heute 23 Berliner Bezirke auf 18 reduziert werden, um so Verwaltungskosten zu sparen. Wie im laufenden Haushalt bis 1999 die Sparsumme von 23,1 Milliarden Mark erreicht werden soll, wollte der amtierende Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) erst am gestrigen Abend aufschlüsseln. Offenbar soll jedoch Landesvermögen im Wert von mehreren Milliarden Mark verkauft werden. Unter anderem ist im Gespräch, ein Viertel des nur noch zum Teil im Landesbesitz befindlichen Stromversorgers Bewag zu verkaufen. Entgegen der Ankündigung der SPD war in den Leitlinien des Koalitionsvertrages nicht mehr die Rede davon, daß Wohnungbaugesellschaften ausschließlich an Mieter oder Mietergenossenschaften und nicht an Privatunternehmen und Banken verkauft werden.
Die Aufteilung der neun Senatsverwaltungen ist geklärt. Die CDU (37,4 Prozent) wird mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen an der Spitze und mit fünf Senatoren knapp zwei Drittel der Senatssessel besetzen. Die CDU behält die Ressorts Inneres, Finanzen, Stadtentwicklung/Umweltschutz/Verkehr und bekommt die Neuzuschnitte Wirtschaft/Betriebe/Technologie sowie Wissenschaft/Forschung/Kultur. Die SPD stellt auf Grund ihres schlechten Wahlergebnisses von 23,6 Prozent nur 4 Senatoren. In ihren Machtbereich fallen weiterhin die Bau- und die Justizverwaltung und kommen die neu zusammengesetzten Verwaltungen für Gesundheit/Arbeit/Soziales/Frauen/ Familie sowie Schule/Berufsbildung/Jugend/Sport.
Es gilt als sicher, daß Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) dem neuen Senat nicht mehr angehören wird. Er mußte sich in der vergangenen Legislaturperiode unter anderem wegen Rechtsradikalen und Kriminellen in der Polizeireserve vor zwei Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verantworten. Ob SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer einem neuen Senat angehören wird, war noch zweifelhaft. Die Parteitage von CDU und SPD wollen jeweils am kommenden Mittwoch die Fortsetzung der Großen Koalition offiziell beschließen. Erst danach wollen die Parteien ihre Kandidaten für den Senat vorstellen. Dirk Wildt
Siehe auch Seite 5
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