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Wütend herausgekratztes Meer

■ Galerie Basta zeigt Bogdan Hoffmanns Holzschnittserie „Nordsee (Deutsche Bucht)“

Reisen wird heutzutage kaum mehr als etwas Besonderes wahrgenommen. Um so verwunderlicher, wenn einer schon bloß eine Eisenbahnfahrt von Bremen nach Hamburg künstlerisch bearbeitet und in fünfzehn Holzschnitten dokumentiert. Nein, es geht nicht um die Eröffnungsfahrt im vorigen Jahrhundert, sondern um aktuelle Kunst von Bogdan Hoffmann, einem in Polen geborenen Künstler, der in Bremen lebt.

Den Holzschnitt, der nach seiner Blüte im Expressionismus heute wie Linolschnitt und Töpferei auch zum Freizeitvergnügen von griesgrämigen Volksschullehrern und frustrierten mittelständischen Ehefrauen verkommen ist, nutzt dieser Künstler reichlich gegen den Strich für konzeptuelle Kunst.

Das beginnt schon bei den Maßen: Zwanzig Zentimeter mal sechs Meter vierzig ist nun wirklich keine gefällige Sofa-Größe für einen Linol-Druck, aber das Sujet ist auch entsprechend dimensioniert: der nullte Längengrad einmal um die Erde. Die individuelle Erfassung der Geographie ist vielfach Thema des Künstlers, den die kleine, aber wichtige Galerie Basta jetzt mit dem neuen Projekt Nordsee (Deutsche Bucht) zeigt.

Diesmal hat der bodenständige Künstler das Land verlassen und ist mit dem Schiff von Hamburg nach England gefahren. Dabei hat er wiederum die Landschaft (hier eher die Wasserschaft) fotografiert und später in Radierungen und Holzdrucken auf Chinapapier verarbeitet. Vom seekartenmäßigen Koordinatennetz überfangene Schiffdetails sind in tiefschwarze Meeresunendlichkeit gesetzt, Helgoland als massiver Kartengrundriß und zarte Linienansicht zu neuer, verbesserter Topographie übereinander gedruckt. Einmal gibt der 39jährige Künstler schlicht eine Horizontlinie mit dem Namen des Meeresteils: Viel mehr nimmt man nach Tagen auf See auch kaum mehr wahr, will man sich nicht auf den Himmel mit seinen wechselnden Erscheinungen einlassen.

Merkwürdig ist ein kleines, in traditionellem kartographischem Sinne genaues Bild des Nordseeraumes: Eine dünne Linie trennt Wasser von Land, die Küstenstädte Skandinaviens, Deutschlands, Hollands und Großbritanniens sind korrekt in Großbuchstaben verzeichnet. Doch das Meer in der Mitte ist mit harten Gegenständen wütend aus der Druckplatte gekratzt, tiefschwarz und bis ins Land hinein ausgefranzt dominiert es die Radierung: Symbol für drohende, aus der tiefen Mitte explodierende Sturmfluten oder umgekehrt für von allen Seiten ins arglose Meer einströmendes Gift?

Bogdan Hoffmann bringt es fertig, mit sparsamen Mitteln den alltäglichen, traditionellen Welterfassungsmethoden wie Landkarten neue Fragen zu entlocken und sonst kaum mehr wahrgenommene Anblicke in einem uralten Medium neu vorzustellen. Hajo Schiff

Galerie Basta, Großheidestr. 21, Di-Fr 14-19, Sa 12-15 Uhr, bis 27. Januar

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