„Links von uns funkt nur die Polizei“

Heute geht uniRadio auf der alten AFN-Frequenz 87,9 auf Sendung: Täglich von 17 bis 18 Uhr aktuelle Nachrichten und Informationen aus den Hochschulen. Das Studium wird für die Macher zum Nebenjob  ■ Von Christoph Oellers

Freitag abend im Keller einer Villa in Dahlem: 17.59 Uhr zeigt der Zeitmesser im Regieraum an. „Bis Montag“, verabschiedet sich Moderatorin Anke Sontowski jenseits der Glasscheibe im Studio, „wir vom uniRadio gehen jetzt schon in die Heia.“ Tonmeisterin und Tagesredakteurin lachen. „Wahnsinn, da hat die den Spruch doch glatt gebracht.“ Heute nachmittag um fünf, wenn Anke wieder auf Sendung geht, wird's ernst. Dann wird sie nämlich nicht nur im Regieraum und im Redaktionszimmer zu hören sein, sondern in ganz Berlin und Potsdam, auf der alten AFN-Frequenz 87,9. Ab heute sendet uniRadio jeden Tag von 17 bis 18 Uhr. uniRadio will anders sein als die anderen, aber auch kein reiner Studentensender werden, „der den Kommilitonen empfiehlt, welches Menü sie heute in der Mensa zu essen haben“, sagt Anke. Die 25jährige Germanistikstudentin hat schon in ihrer Heimatstadt Münster für ein Uniradio gearbeitet. „Aber da ist das hier jetzt viel professioneller.“

Darüber wachen drei Profis. Heike Schüler, Manfred Ronzheimer und Andreas Wosnitza sind Journalisten mit langjährigen Erfahrungen in Radio und Fernsehen. Schüler leitet die Außenredaktion in Potsdam. Wosnitza und Ronzheimer betreuen im wöchentlichen Wechsel die Zentralredaktion in der Thielallee 50. Dazu kommen noch zwei Profis für die technische Seite: eine Tonmeisterin und ein Techniker, der die beiden Computernetze auf Trab hält.

UniRadio ist nämlich mit moderner digitaler Technik ausgerüstet. Analog laufen hier eigentlich nur die Uhren. An fünf digitalen Schnittplätzen können die Beiträge am Computer zurechtgeschnitten werden. Neben den vollbezahlten Profis arbeiten beim uniRadio 14 Tutoren: Studenten, die zehn Stunden in der Woche für das Radio arbeiten und dafür mit 800 Mark monatlich entlohnt werden. Pro Tag plant man mit zweieinhalb Tutoren: einer, der für die Nachrichten zuständig ist, einer, der insgesamt für die Sendung verantwortlich ist („Tagesredakteur“) und einer, der ab 13 Uhr die Beiträge betreut. Doch das würde „hinten und vorne nicht langen“, sagt Tutor Michael Marx. Auf Dauer käme man mit 14 Tutoren nicht aus. „Wir üben alle so schon unseren Job zu mindestens 200 Prozent aus.“ Studieren wird zur Nebenbeschäftigung.

Praktikanten und freie Mitarbeiter dagegen arbeiten honorarfrei. Das gilt auch für die Moderatoren. Anke gehört zu den zehn, die ausgewählt wurden. Sie hat beim Hessischen und Norddeutschen Rundfunk auch schon öffentlich-rechtliche Erfahrungen gesammelt. Demgegenüber sei es hier „ganz anders“.

Ganz anders: Statt des Dudelfunks auf anderen Wellen wollen die StudentInnen achtzig Prozent des Programms über Wortbeiträge gestalten. Werbung gibt es nicht, und die täglichen Nachrichten der Agenturen sollen mit den Mitteln der Hochschulen „um den wissenschaftlichen Blick erweitert“ werden, meint Anke. Zum Beispiel: Bei einer Meldung zum Umweltschutz soll auch noch ein Wissenschaftler aus dem entsprechenden Uni-Institut zu Wort kommen; das Wetter erfahren die ZuhörerInnen durch ein Interview mit einem Meteorologie-Studenten.

Auch Ronzheimer nennt uniRadio eine Besonderheit: ein Projekt, das von 13 Hochschulen Berlins und Potsdams gemeinsam getragen wird. Und das im Zeitalter knapper Kassen, wo jeder eifersüchtig über sein Revier wache. Ein Projekt, „das schon mal die Länderfusion vorwegnimmt“. Der 42jährige Wissenschaftsjournalist zielt mit dem Programm auf die 150.000 StudentInnen der Region, die 50.000 wissenschaftlichen Mitarbeiter, Familienangehörige und „wissenschaftlich Interessierte“.

Was ist noch anders, über die nach außen getragenen Verlautbarungen hinaus? „Man muß sich“, Anke schlägt dabei die Faust in den Handteller, „hier einfach zusammenraufen. Schließlich sind wir alle Laien.“ Außerdem bekomme sie ein Feedback wie sonst nirgendwo. „Und dafür bin ich hier, um etwas zu lernen.“ – „Ausbildungsradio“, so sieht es auch Tutor Michael. Er will bei uniRadio lernen, „wie man organisiert und von hinten aus die Strippen zieht“. Sein Berufsziel ist Öffentlichkeitsarbeit.

Anders ist sicherlich auch der Etat. Dieses Jahr muß man mit knapp 400.000 Mark auskommen. 50.000 Mark steuert dabei im übrigen der Konzern mit dem Stern bei. 190.000 Mark gehen für die Gehälter der Tutoren und Profis drauf. Soviel kriege, sagt Michael, „allein der Chef von Radio 100,6“.