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Kampf der Diadochen

Papandreou röchelt noch. Aber das Ringen um seine Nachfolge kann er nicht mehr aufhalten  ■ Von Niels Kadritzke

Noch im Januar wird Griechenland einen neuen Ministerpräsidenten haben, oder wenigstens seinen Namen kennen. Der schwerkranke Amtsinhaber Andreas Papandreou wird noch diese Woche ein Gespräch mit Staatspräsident Stefanoupolos führen. Fast alle Pasok-Anhänger hoffen, daß Papandreou seinen Rücktritt ankündigen wird. Doch selbst wenn nicht, wird das Zentralkomitee der Regierungspartei am Sonntag zusammen mit der Parlamentsfraktion die „endgültige Lösung“ der Krise beschließen: die Nominierung eines neuen Ministerpräsidenten, der bis Ende des Monats vom Parlament gewählt sein soll.

Darauf wartet die griechische Öffentlichkeit mit mittlerweile zynischer Ungeduld. Ihr Staat präsentiert sich seit drei Monaten in einem Zustand, der nur Bakunin gefallen hätte. Anarchie heißt auf griechisch die Abwesenheit jeglichen Regierens. In Athen wird dieser Zustand durch das orangefarbene Telefon symbolisiert, das in der Intensivstation des „Onassis- Krankenhauses“ steht. Der Regierungschef könnte das Krisentelefon nicht einmal abnehmen. Und Innenminister Akis Tsochatsopoulos, Papandreous Stellvertreter, hat sich nie getraut, das Statussymbol für sich zu beanspruchen. Aus Respekt für den Patienten und aus Angst, seine eigenen Ambitionen zu deutlich herauszukehren.

Tsochatsopoulos gehört zu den fünf Kandidaten, die sich nach dem heutigen Stand der Dinge um das Amt des Ministerpräsidenten bewerben werden. Doch der Partei- Apparatschik gilt als chancenlos. Zwar hat er starken Rückhalt im Pasok-ZK, aber das kann allenfalls Empfehlungen an die Parlamentsfraktion aussprechen. Dort läuft alles auf das Duell zwischen zwei anderen Diadochen hinaus: Verteidigungsminister Gerasimos Arsenis und Kostas Simitis, Wirtschaftsminister bis August vorigen Jahres.

Bis vor kurzem war Arsenis noch favorisiert, weil er ein Bündnis mit Tsochatsopoulos zustande brachte: Arsenis Regierungschef, Tsochatsopoulos Parteivorsitzender. Dieses Tandem hat sich fürs erste zerschlagen, weil Papandreou – zur Überraschung aller – immer noch lebt. Das medizinische Wunder seiner „Auferstehung“ ereignete sich völlig unorthodox in den Weihnachtstagen. Die Ärzte hatten ihren Patienten bereits aufgegeben. Inzwischen melden die ärztlichen Bulletins, das Krankheitsbild des Ministerpräsidenten sei „anhaltend stabil“. Das ist zwar eine relative Aussage, denn der Patient überlebt nur mit Hilfe künstlicher Ernährung, einer künstlichen Niere und eines Beatmungsgerätes. Aber die Tatsache, daß Papandreou ein paar Minuten zuhören und ab und zu vier fünf Wörter flüstern kann, hat in der Pasok die Fraktion gestärkt, die ihn bis zu seinem Lebensende als Parteivorsitzenden sieht. Damit ist das Tandem Arsenis-Tsochatsopoulos keine unmittelbare Lösung.

Die Bereitschaft, dem Dauerpatienten die Parteiführung zu überlassen, ist die Konzession aller Nachfolgekandidaten an die Umgebung Papandreous, die nicht einmal seinen Rücktritt als Regierungschef diskutieren wollte. Dieser zähe Widerstand, der von Papandreous Ehefrau Mimi und seinem Leibarzt Kremastinos gesteuert wurde, hat die Partei wochenlang an der Entscheidung gehindert, den Übervater als Ministerpräsidenten abzulösen. Daß der Beschluß so lange auf sich warten ließ, hat nicht nur die Würde des Patienten beschädigt. Witze über das „Intensivstations-Regime“, zielen zunehmend auf die Regierungspartei.

Die muß jetzt schleunigst beweisen, daß sie sich auf einen Nachfolger einigen kann, ohne auseinanderzubrechen. Dabei steht die Pasok vor einem Dilemma. Der weitaus beliebteste Kandidat für die Papandreou-Nachfolge ist zugleich derjenige, der in den letzten Jahren am meisten Streit mit dem autoritären Parteiführer hatte. Kostas Simitis, als moderner Sozialdemokrat eingeschätzt, ist der einzige Pasok-Kandidat, der nach den aktuellen Umfragen bei den nächsten Wahlen die konservative Opposition der Nea Dimokratia schlagen könnte. Arsenis hingegen hätte kaum eine Siegeschance. Die Wahl von Simitis wäre auch ein Schritt der Pasok auf dem Wege, der die populistische Papandreou-Ära hinter sich läßt. Dies ist langfristig ihre einzige Überlebensperspektive. Aber Papandreou könnte ein letztes Mal die Weichen stellen. Wenn aus dem Hospital die Meldung käme, daß der Parteihierarch ein Votum gegen Simitis flüstern konnte, wären nicht nur die meisten Pasok-Leute zwischen Pietät und Verstand zerrissen. Es würde zugleich die Zerreißprobe für die Partei bedeuten.

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